Legionare
die Diebin her«, rief der Gutsherr.
Mehrere Männer schleiften Dar den Rest des Weges und zwangen sie, vor ihm zu knien. Der Hackklotz diente wohl dem Schlachten von Geflügel, denn die blutbefleckte Oberfläche war voller Axtkerben. Ein großer Mann in einer blutigen Schlachterschürze trat aus der Menge hervor, packte Dars Handgelenk und drückte ihren rechten Arm auf das klebrige grobe Holz. Mit der anderen Hand hob er ein breites Beil und schaute seinen Herrn an. Dar richtete den Blick ebenfalls auf ihn.
Der Herr schaute Dar in die Augen. »Dummkopf! Jeder weiß doch, welchen Preis man für Diebstahl zahlt!«
»Ich hatte keine Wahl.«
Der Gesichtsausdruck des Gutsherrn wurde geringschätzig. »Zu hochnäsig, um zu arbeiten – oder zu faul?«
»Wenn du die Wahl hättest, würdest du lieber eine Hand oder den Kopf verlieren?«
»Was soll dieser Unsinn?«
»Nehmt mir das Stirnband ab und seht selbst.«
Der Gutsherr nickte, und der Mann mit dem Beil riss Dar das Stirnband ab. Man sah ihr Brandzeichen. Der Anblick erzeugte Gemurmel unter den Menschen, doch es verstummte, als der Herr erneut das Wort ergriff. »Ich habe von solchen Zeichen gehört. Warst du eine Sklavin der Kobolde?«
»Ja, war ich«, erwiderte Dar. »Jetzt wird der König euch für meinen Kopf eine Belohnung zahlen.« Sie seufzte und legte den Kopf auf den Hackklotz.
»Weißt du denn nicht, wo du bist?«
Dar schaute auf und tat, als sei sie völlig verwirrt. »Nein. Ich bin geflohen. Ich habe mich völlig verlaufen.«
Der Gutsherr kniff die Augen zusammen. »Warum zeigst du uns dann dein Brandzeichen?«
»Welche Möglichkeiten habe ich denn noch mit einer Hand? Dann kann ich ebenso gut hier sterben.«
Eine Frau zupfte am Ärmel des Herrn und sagte: »Garl.« Garl wandte sich zu ihr um. Die beiden tuschelten miteinander. Danach musterte Garl Dar. »Meine Gattin glaubt, dass du lieber ehrlich arbeiten als stehlen willst.«
»So ist es«, erwiderte Dar.
»Du brauchst den Eindringling und seine Kobolde hier nicht zu fürchten«, sagte nun Garls Weib. »Dies hier ist König Feistavs Reich.«
Dar zwang sich ein paar Tränen ab. »Oh, gepriesen sei Karm!«
Garl wirkte noch immer argwöhnisch. »Sie ist und bleibt aber eine Diebin, Faranna«, sagte er zu seiner Gattin.
»Wenn sie unsere Leibeigene wäre«, sagte Faranna, »wären uns zwei Hände dienlicher als eine.«
»Vielleicht«, sagte Garl. »Vielleicht raubt sie uns aber auch nur doppelt so schnell aus.«
»Bitte, Gnädigste«, sagte Dar. »Nach dem Sklavendasein bei den Kobolden würde mir jede Plackerei leicht erscheinen. Lasst mich euch dienen.«
Faranna lächelte. »Auf Garlsgut gibt es keine Fürsten oder Fürstinnen. Du brauchst mich nicht Gnädigste zu nennen. Nenn mich einfach Herrin.«
Dar neigte den Kopf. »Ja, Herrin.«
»Ich habe noch nicht zugestimmt«, sagte Garl.
»Ihre Hand ist verwirkt«, sagte Faranna, »sobald sie sich als Lügnerin erweist.«
Garl gab sich sehr bedächtig, bevor er etwas sagte. »Wie heißt du, Mädchen?«
»Dar.«
»Du hast gehört, was wir gesagt haben«, sagte Garl. »Bist du bereit, unsere Leibeigene zu werden, wenn wir dir Gnade gewähren?«
»Ich bin dazu bereit, Herr.«
»Hunda!«, rief Garl.
Der Fackelträger trat vor.
»Nimm unserer neuen Leibeigenen die Fesseln ab«, sagte Garl. »Sie kann bei Theena schlafen.« Als Hunda Dar von ihren Fesseln befreite, fügte Gar hinzu: »Verriegelt ihre Tür.«
Nun, da die ganze Aufregung vorbei war, löste die Menge sich langsam auf. Einige Leute schienen vom Ausgang des Ereignisses enttäuscht zu sein – besonders Garls Sohn. Er kam zu Dar, als sie gerade von den Fesseln befreit wurde, und sagte: »Wir behalten dich im Auge.«
Dar, von den Stricken befreit, wurde von Hunda zu einem aus stämmigem Holz gezimmerten Stall geführt. Er stieß seine Fackel in den Boden, nahm Dar am Arm und begleitete sie in das finstere Gebäude. Dar sah nur wenig außer den dunklen Umrissen von Viehboxen und den vagen Formen von Tieren. Die letzte Box war größer als die anderen; ihre Wände reichten bis zur Decke. Die niedrige Tür war offen. »Hier wirst du wohnen«, sagte Hunda. Er schob Dar zur Tür. »Geh rein. Hast Glück gehabt, Mädel. Der Herr ist sanftmütiger als ich.«
Als Dar sich bückte, um hineinzugehen, hörte sie das Rascheln von Stroh. Da rührte sich jemand.
»Es ist doch noch zu früh zum Aufstehen«, sagte eine müde Stimme.
»Ja, ist es, Theena«, erwiderte Hunda. »Der Herr
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