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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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viel zu hoch und viel zu weit. Die Astronauten an den Tischen duckten sich. Und etwas verschreckt guckten nun doch auch die Großen Vier aus der Artemis-Wegwerfwäsche. Butcher schloss die Augen.
    »Also, Zippora! Was ist mit Richard Weber?«
    »Bis heute habe ich geglaubt«, sagte Zippora hist o risch schwergewichtig, »dass niemals wieder ein Deu t scher die Waffe auf einen Juden richten würde.«
    Besser hätte sie mich nicht entwaffnen können! Sie musste ungeknackt bleiben.
    Morten Jörgensson verschluckte sich an einem L a chen. »Ene, mene, Maus und raus bist du!«, hustete er.
    »Willst du vielleicht weitermachen?«, pflaumte ich ihn an. »Hier, du Held, bitte sehr. Vielleicht sagen sie dir ja, was hier läuft! Viel Glück!«
    Ich knallte die Waffe vor ihn auf den Tisch. Morten kippte fast hintenüber. Tupac und Van Sung erstarrten.
    Aber da war Oberst Pilinenko auch schon an den Tisch in der Mitte der Cupola gehechtet und eroberte sich seine Pistole zurück.
    Aber er erschoss mich nicht. Er drehte mir nicht ei n mal den Arm auf den Rücken. Lag es nur daran, dass Astronauten gelernt hatten, ihre Impulse zu kontrolli e ren? Oder hatte Butcher ihm die Anweisung erteilt, mich ma chen zu lassen? Artjom beschränkte sich jedenfalls darauf, mich rüde zum Tisch von Gail, Yanqiu und Ta mara zurückzuführen und auf den Stuhl zu drücken.
    »So, und da bleibst du jetzt sitzen oder ich kette dich an!«
    Steifbeinig kehrte er zum Tisch des Kommandanten zurück. Zippora bekämpfte die Zuckungen eines triu m phierenden Lächelns, das sie nicht ausspielen wollte, aber auch nicht verbergen musste.
    »Fuck. Cyborg, Baby!«, raunte mir Gail zu und kniff mich unterm Tisch in den Schenkel. »Du hast ja echt ein Rad ab!«
    »Ist doch beruhigend, dass das Habitat einen Schuss aushält«, wisperte ich zurück.
    Yanqiu stand leise auf und ging zur Kombüse hinüber.
    »Gentlemen«, sagte Butcher. »Wir wollen nun …«
    »Moment«, unterbrach ihn Zippora. »Unser deutscher Gast hat mir einen schwerwiegenden Vorwurf gemacht und eine Frage gestellt. Darauf möchte ich antworten.«
    In stiller Dienstbarkeit, die mir in keinem Moment verkehrter vorgekommen war als jetzt, begann Yanqiu, auf unseren Tischen Tetrapacks mit Limonade zu verte i len.
    »Zunächst einmal«, sagte Zippora, »möchte ich kla r stellen, dass hier keinerlei psychologische Experimente stattfinden. Wenn es auch in der Tat gruppendynamische Prozesse gegeben hat und gibt, die uns und insbesondere mich beschäftigt haben und die wissenschaftlich intere s sant sind. Aber ich habe sie nicht initiiert.«
    Abdul, der Meister der Muster, nickte kaum merklich vor sich hin.
    »Und Richard Weber«, fuhr Zippora fort, »ist mir ta t sächlich nicht persönlich bekannt. Allerdings kenne ich seine juristischen Veröffentlichungen über Nutzung s rechte und Datenschutz, die, mit Verlaub, sehr theor e tisch sind und derzeit nur wenig Relevanz haben für u n sere Arbeit hier oben. Aber er ist ein wichtiger Mann.«
    Ein allgemeines Knistern hatte eingesetzt. Astronauten waren offenbar immer gierig auf irdische Leckereien. Wie lange hatte auch ich schon nicht mehr den Tetraeder von Sunkist in meiner Hand gefühlt? Diese geometrische Denksportaufgabe aus vier gleichseitigen Dreiecken. Das hatte es in meiner Kindheit nur zu besonderen Anlässen gegeben, an Wandertagen beispielsweise. Mein Kin d heitsabenteuer: Wie bekam man den Strohhalm durch die Plastikhaut im Löchlein, ohne dass die Spitze des Röh r chens abknickte?
    »Eine Spende von Cadbury-Schweppes«, nuschelte Butcher. »Die haben auch den Transport bezahlt.«
    Ein kichriges Stochern verwandelte die Cupola in e i nen Wandertag. Fehlten nur die auf Stöcke gespießten Würste überm Lagerfeuer. Nur eines war seltsam: Ein winziger Tropfen rollte an meinem Tetraeder entlang, noch bevor ich die Membran durchstochen hatte. Wo kam der her?
    »Und wenn Herr Weber tot wäre, dann wüsste ich das«, vollendete Zippora, was sie mir zu sagen hatte.
    »Stopp!«
    Es war ich selbst, die das geschrien hatte. Gellend! Denn die ersten Kindermünder näherten sich mit Sucke l lust den eingepflanzten Plastikröhrchen.
    »Stopp! Nicht trinken! Das ist Gift!«
    Nur Yanqius zarte Lippen stoppten nicht. Weich und zutraulich schlossen sie sich um das Röhrchen.
    Ich warf mich über den Tisch und schlug ihr den Tet r a eder vom Mund und aus der Hand. Yanqiu war nur einen Moment perplex, dann schnappte sie sich die P a ckung von Tamara. Eine

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