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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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Schüssi, ein paar Tage bevor er als Teil der Wirtschaftsdelegation des Ministerpräsidenten im Flieger nach China sitzen würde, Jockeis fleischige Altherre n diplomatie, viel zu reden, ohne was zu sagen, und dann mein Ausschluss aus der Herrenrunde samt Verurteilung zum Damenprogramm mit Cecilie über Esoterik und Extraterrestrik, das hatte mich ernstlich zweifeln lassen, ob ich in meinem Leben noch auf dem richtigen Weg war.
    Grimm hatte mich wach gehalten unterm Federbett, al lein mit der Nacht und dem Schrei des Käuzchens, das Tod und Verderben verkündete, dem Windgeflüster in den Bäumen und dem Geruch des Lakens nach Lavendel. Wahrscheinlich hatte Richard auf getrennten Schlafzi m mern bestanden, damit ich nicht mitbekam, wann er ins Bett stieg. »Um dich nicht zu stören«, hätte er gesagt. Aber im Grunde hatte er vermeiden wollen, dass ich ihn im Intimbereich der Nacht mit Fragen löcherte und er mir – entpanzert und in Unterhosen – die Auskünfte nicht hätte verweigern können, die er am helllichten Tag m ü helos als Staatsgeheimnisse verschwieg.
    Am Morgen danach waren die Launen ungleich ve r teilt. Richard hatte unter der Dusche singen und sein Köfferchen für Zahnbürste, Rasierapparat, Duschdüfte und frische Wäsche plündern können, während ich mich im Badezimmer an Cecilies Seife hatte bedienen und hernach in denselben Schlüpfer hatte steigen müssen. Und kein Wort beim Frühstück über Mondgeheimnisse, nur Smalltalk mit Cecilie und Jockei übers Wetter und die Zucht von Dackeln.
    Vermutlich war es das gewesen, was Richard bea b sichtigt hatte, als er mich im Zeppelin-Museum kaperte und ins Hinterland entführte: dass ich in Turnschuhen und Anglerweste unterm Kronleuchter erkannte, dass Lisa Nerz ein dummes und albernes Konzept war. U n nütz und belastend, das überholte Relikt eines infantilen Trotzes gegen meine katholische Mutter mit den Ohrfe i genhänden und gegen die Erwartung der Welt, dass man sich für ein Geschlecht entschied. Zeit, dass du erwac h sen wirst, Lisa. Der Klügere gibt nach. Dann allerdings würde ich nie nachgeben können.
    Ein schattiger Wald fing die Straße ein und führte sie an einem Bach entlang. Motorräder umschwärmten uns wie Wespen, röhrten an uns vorbei, legten sich in die Kurven und verschwanden.
    Ich klappte die Karte von Oberschwaben auf. »Und wo sind wir jetzt?«
    Am Straßensaum stand ein grünes Schild mit dem Ortsnamen Rehmen. Rechts ging es einen Feldweg nach Neumühle, links nach Argenmühle. Ich drehte die Karte. Wir überquerten ein frühsommerlich wasserarmes G e wässer. »Und was ist das jetzt für ein Fluss?«
    Richard hielt hinter der Brücke am Straßenrand und nahm mir die Landkarte ab. »Hier sind wir. Das ist die Untere Argen«, sagte er und drückte mir die schön auf einen Bereich zurechtgefaltete Karte wieder in die Hä n de. »Da ist die Autobahn. Die überqueren wir. Und da wo l len wir hin. Klar?«
    »Alles klar.«
    Nichts war klar. Kaum rollten wir über die erste B o denwelle, verrutschte mein Finger, und ich musste erneut suchen. Das Gebläse füllte den Wagen mit dem Geruch nach Gebräu aus Malz und Hopfen.
    »Farny«, sagte Richard in mein Geschnüffel.
    Die Brauerei hütete an einem Berg mit Wald die G e heimnisse ihrer Quellen, Keller und Weizenbierwürze. Schafe weideten auf einem Grünstück. Schwungvoll heizte Richard den Daimler hinauf ins nächste Wäldchen. Danach rollten wir hinunter in den Trichter der Hinwei s schilder für einen Bahnübergang, hoppelten über die Gleise und sausten auf der anderen Seite hügelan ins Weidegrün. Kühe grasten in einem grün beschilderten Ort namens Feld. Richard setzte den Blinker und bog Richtung Allewinden ab.
    »Zum Segelflugplatz wäre es aber rechts gegangen.«
    »Ich weiß.«
    Als Lotsin mit Karte und Kompass brauchte Richard mich jedenfalls nicht, er hatte sich die Ortsnamen g e merkt.
    »Wozu brauchst du mich eigentlich noch?«
    »Bitte?«
    »Wahrscheinlich hast du mir die Karte nur gegeben, damit ich meinen weiblichen Mangel an räumlichem Vorstellungsvermögen offenbare und dir keine Grundsatzfragen stelle.«
    »Lisa! Jetzt mach aber mal halblang!«
    »Wenn es dir nicht mehr passt, wie ich bin, dann …«
    Mit etwas zu viel Schwung sch osse n wir über eine Kuppe hinaus auf einen Bauernhof zu. Ich krallte mich in den Haltegriff. Richard trat in die Eisen, die Reifen sir r ten, Cipión purzelte in den Fußraum.
    Für den alarmierten Seitenblick hatte Richard

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