Lehrerzimmer
Beurteilungsprotokollbögen zu notieren. Am Schluss der Stunde habe der Referendar das Wort suicide umwälzen und anschreiben lassen, ehe er sich die Pistole in den Mund gesteckt und abgedrückt habe. Die Kinder seien einen Augenblick still dagesessen. Dann seien sie schreiend aufgesprungen. Bevor sie aber aus dem Klassenzimmer hätten stürzen können, seien der Referendar und sein Kollege aufgestanden und hätten sich das Theaterblut aus dem Gesicht gewischt. Starr und gebannt hätten sich die Kinder wieder hingesetzt, sodass die Stunde abschließend noch eine wunderbare Wendung bekommen habe, hin zur Semantisierung des Wortes fake . Niemals, habe der Anführer der Frösche gesagt, niemals, dessen sei er sich absolut sicher, niemals würden die damals anwesend gewesenen Schülerinnen und Schüler diesen didaktisch hervorragenden Anschauungsunterricht vergessen können. Auf immer, habe er gesagt, seien die Vokabeln kill, smoke und fear in die Köpfe der Kinder eingebrannt. Und an diesem Beispiel könne man glänzend sichtbar machen, wie unverzichtbar die Anschauung bei der Vokabelsemantisierung sei. Es reiche eben nicht aus, eine einfache Kreidezeichnung an die Tafel zu kritzeln, um den Kindern die Bedeutung des Wortes car zu verdeutlichen. Es reiche auch nicht aus, ein Matchboxauto mitzubringen. Car bedeute eben weder Kreidezeichnung noch Matchboxauto, car sei einzig und allein ein wirkliches, wahrhaftiges, auf einer asphaltierten Straße fahrendes Auto. Aus diesem Grund hätte man eigentlich zur Semantisierung ein wirkliches, echtes, originalgetreues Auto ins Klassenzimmer mitzunehmen, was natürlich in Anbetracht der Enge des Raumes nicht zu bewerkstelligen sei. Aber, habe der Wortführer gesagt, man könne die Kinder dazu bringen, auf den Schulhof hinabzuschauen. Man könne das Auto vor der Stunde so auf dem Schulhof parken, dass es den Schülern bei einem Blick aus dem Fenster gleich ins Auge springe. Und da der Klett-Verlag bekannt sei für die großzügige Bereitstellung jeglichen Anschauungsmaterials, wolle er nun die Fachlehrer bitten, aus dem Fenster zu sehen, wo sie, die Frösche, einige der in den ersten units von Greenline vorkommenden Gegenstände naturgetreu und in Originalgröße aufgestellt hätten. Die Fachlehrer, so Klüting, seien ans Fenster getreten und hätten dort ein car , mehrere bikes und televisions , radios und sonstige Semantisierungsobjekte erkennen können. Diese Dinge, habe der Oberfrosch gesagt, gehörten ab sofort ihnen, den Fachlehrern, auf dass der Unterricht in der Unterstufe von größtmöglicher Anschauung geprägt fortan noch besser gelingen möge. Daraufhin hätten die Fachlehrer lautstark applaudiert und begonnen, die Gegenstände untereinander aufzuteilen, während sie, Klüting, den Vertrag mit den Klett-Vertretern unterschrieben habe, der besage, dass man für die nächsten zehn Jahre keine anderen Schulbücher verwenden dürfe als eben die grünen. Zufrieden hätten die Frösche das Feld geräumt und die Fachlehrer eine Flasche Sekt geköpft. Frau Klüting schloss ihre Ausführungen mit dem Hinweis darauf, dass ich mich durch meine gestrige Abwesenheit bereits selber bestraft hätte, da das eigentlich für mich vorgesehene Fahrrad nun an ihren Mann verschenkt worden sei, Englischlehrer in der Kletthochburg KNOGY . Das macht nichts, atmete ich erleichtert auf, solange es keine anderen Schwierigkeiten gibt. Klüting schüttelte den Kopf, und in diesem Moment hörte ich, wie jemand von außen offensichtlich mit dem Fuß gegen die Lehrerzimmertür trat. Ich ging hin, öffnete und erkannte eine etwa 15-jährige Schülerin, die ihre beiden hohlen Hände zu einer Schale geformt hatte, in welcher sich irgendetwas befand, ich konnte nicht sehen, was. Sie fragte mich, ob ich das hier Frau Hoffner geben könne. Ich nickte, hielt meine Hände auf, und die Schülerin kippte mir einen Haufen harter, trockener, bereits zerkauter, offensichtlich von Schülerbänken abgekratzter Kaugummibollen in die Hände, ehe sie sich umdrehte und verschwand. Ich legte die Kaugummis zu Frau Hoffner auf den Tisch mit den Worten, das hier sei für sie abgegeben worden. Hervorragend, sagte Frau Hoffner, und begann die Kaugummiböbbel zu zählen, 12, 14, 16, 18, 20, sehr gut, beim ersten Mal fünf, beim zweiten Mal zehn, beim dritten Mal zwanzig. Dann sah sie zu mir auf und sagte, sie kenne da nichts, es gebe nur die eine Regel: Wer kaut, kratzt ab.
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A ls das Verhör endlich beendet war, trat der
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