Lehrerzimmer
Protokoll habe eintragen wollen, sei plötzlich die Tür aufgestoßen worden. Hier machte sie eine Pause. Jemand sei ins Fachkonferenzbesprechungszimmer gestürmt. Wer? fragte ich. Frösche, sagte sie, fünf Stück. Frösche? fragte ich. Klett-Vertreter, sagte Klüting, in Grün. Sie seien in die Fachkonferenz geplatzt, und ihr Wortführer habe die Fachlehrer beschworen, doch bei Klett zu bleiben. In keinem anderen Schulbuchverlag, habe der Wortführer der Frösche gesagt, werde so viel Wert auf Anschauung gelegt wie in den Klett-Büchern. Und ihnen, den Fachlehrern, bräuchte er nicht darzulegen, wie elementar die Anschauung für den Unterricht sei. Kinder, habe der Wortführer doziert, würden nur dann etwas lernen, wenn sie die Dinge greifbar und anschaulich vor sich sähen. Eine Vokabeleinführung könne nur dann gelingen, wenn man das neue, unbekannte Wort durch einen zum Wort passenden Gegenstand oder durch eine zur Tätigkeit passende Handlung semantisiere. Verbalisierung? habe der Klett-Mann gesagt, bringe nichts. Antonyme? Nutzlos. Anschauung heiße das Zauberwort. Er, der Wortführer, sei einmal, Jahre zuvor, Zeuge einer denkwürdigen Unterrichtsstunde geworden, die seine Meinung aufs Trefflichste bestätigt habe. Damals, habe der Wortführer zu erzählen begonnen, damals sei er noch kein Frosch, sondern vielmehr bei den Weißen beschäftigt gewesen und habe an einem kalten Januartag eine Prüfungslehrprobe im Fach Englisch abhalten müssen. Der an diesem Tag auf dem Prüfstand stehende Referendar habe merkwürdigerweise nicht die gewöhnlichen Nervositätszustände seiner Kollegen gezeigt, er sei nicht etwa kreidebleich im Lehrerzimmer auf- und abgetigert und beinah zusammengebrochen, als die beiden Prüfer, also er, der damalige Prüfungsvorsitzende, sowie der Fachleiter des Referendars, erschienen seien. Der Referendar sei ganz ruhig dagesessen, siegesgewiss, er habe Kaffee getrunken und sich nicht am Erscheinen seiner Prüfer gestört. Er sei kurz vorm Läuten aufgestanden, habe seine Tasche genommen und sei ruhig in die Klasse gegangen, gefolgt von den Prüfern. Es sei eine siebte Klasse gewesen, Thema der Stunde: Gewalt, Wortfelderarbeitung. Die Stunde habe recht schleppend begonnen. Der Referendar habe auf die missliche Lage der Referendare im Allgemeinen hingewiesen, auf die enorme Konkurrenzsituation, die untereinander herrsche, habe dann plötzlich gesagt, dass seine Chancen auf eine Einstellung im Schuldienst erheblich stiegen, wenn er seine Konkurrenten aus dem Weg räumen würde. Dann habe er eine Pistole aus der Tasche gezogen. Schlagartig sei die Aufmerksamkeit der Schüler gestiegen. Der Referendar sei zum Wandschrank gegangen, habe diesen geöffnet, habe einen gefesselten und geknebelten Referendariatskollegen herausgezerrt, laut und deutlich das Wort to kill gesagt und den Kollegen erschossen. Der Kollege sei blutüberströmt neben dem Lehrerpult zusammengeklappt. Um den entsetzten Schreien der Siebtklässler entgegenzuwirken, habe der Referendar nochmals in die Luft geschossen. Dann habe Ruhe geherrscht. Nur einige der Mädchen hätten noch leise geschluchzt. Der Referendar habe dann in der Umwälzungsphase das Wort to kill von den Schülern mehrmals nachsprechen lassen, nicht ohne die mit tränenerstickter Stimme sprechenden Schüler darauf hinzuweisen, lauter zu sprechen. Vorschriftsmäßig habe der Referendar in einem weiteren Unterrichtsschritt das Wort to kill an die Tafel geschrieben, da, wie sie, die Fachlehrer, selbstverständlich wüssten, in der Fremdsprachenvermittlung das Aussprechen eines Wortes dem Schreiben und Lesen stets vorauszugehen habe. Ausgehend vom Wort to kill habe der Referendar den Kindern dann weitere wichtige Vokabeln anschaulich mit einfachstem Zeigen auf das jeweilige vor ihren Augen sich befindende Äquivalent vermitteln können. Blood , bullet , body , aber auch Patronenhülse, Rauch und Schmauchspuren. Er sei daraufhin in einem immer weiter ausufernden mind map auch auf den Zustand der Schüler zu sprechen gekommen, er habe Worte wie Angst, Schreie, Trauma, Tränen und Entsetzen von den Kindern nachsprechen lassen und anschließend an die Tafel geschrieben. Die Kinder hätten zitternd den Tafelanschrieb in ihre tränendurchtränkten Hefte eingetragen. Er, der Wortführer der Frösche, habe mit dem Fachleiter atemlos das Szenario verfolgt und in der Aufregung vollkommen vergessen, die Fehler des Prüflings ordnungsgemäß in die vorbereiteten
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