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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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weil sie das Schloss aufbrachen. Jungs sind nun mal Jungs, sagten meine Eltern, als ich mich über meine Brüder beschwerte.
    In dem Herbst, als ich in die zweite Klasse der Oberstufe kam, war ich so deprimiert, dass ich an Selbstmord dachte. Weil ich still und brav war, merkte niemand etwas. Ich schaffte es nicht, meine Absicht zu verwirklichen, denn vor Erhängen und Ertrin-ken hatte ich noch mehr Angst als vor dem Pulsaufschneiden.
    Wie man mit dem Jagdgewehr umgeht, wusste ich nicht. Dann starb ein Mädchen aus der Parallelklasse bei einem Verkehrsunfall, und ich dachte mir, dass man wohl leben musste, wenn man nun mal am Leben war.
    Ich erinnerte mich an die Nacht nach Aimos erster Hochzeit, als ich mich nach zwei Glas halbgegorenem Hausbier übergeben musste und gesehen hatte, wie ein Zug Kraniche am Himmel entlangzog und hinter dem alten Bergwerksturm verschwand. Das Leben zog nicht wie ein Film an meinen Augen vorbei, oder aber der Film hatte Risse, sprang hin und her und erzählte nur einen Teil.
    Es war schön, wieder in die eigenen vier Wände zurückzukehren. Als ich mich aus dem Taxi quälte, sang auf der Fichtenhecke die erste Amsel, und bald darauf antwortete ihr eine zweite. Ich holte Sulo bei Kalle ab, die beiden waren gut miteinander ausgekommen. Ich blieb zum Tee, wir redeten über dies und das, Kalle bewunderte wieder meine neue Frisur und staunte dar-
    über, dass die Haare jetzt, wo sie lockig waren, viel dicker aussahen als vorher.
    «Und so eine natürliche Farbe. Der rotgoldene Ton war auch schön, aber diese Farbe sieht viel echter aus.»
    «Und beide wachsen nicht raus», entschlüpfte es mir, aber Kalle begriff nicht, was ich meinte. Ich versprach, mit ihm ins Kino zu gehen, sobald mein Zeh verheilt und er von der Reise zurück war. Er wollte Ende März mit seiner Mutter eine Woche auf die Kanarischen Inseln fliegen.
    Von Tag zu Tag ging die Sonne früher auf und stand länger am Himmel, die blau schimmernden Abende nach Frühjahrsanfang dufteten nach den Blumen, die in der Erde erwachten. Die neuen Richtlinien des Schutzhafens waren fertig und wurden von der Generalversammlung der Stiftung gutgeheißen. Zu meiner Bestürzung machte mir die Arbeit noch Spaß, und es fiel mir schwer, an meinem Entschluss festzuhalten, noch vor dem Sommer aufzuhören. Ich ging ins Krankenhaus und ließ eine Vielzahl von Untersuchungen machen, unter anderem wurde festgestellt, dass mein Zeh vollständig verheilt war. Der Termin für den Prozess gegen Halme war noch nicht festgesetzt. Dafür schickte Jonna Ritola eine Karte aus Peräseinäjoki. Sie war dorthin zurückgezogen, hatte in einem Kosmetikgeschäft Arbeit gefunden und wollte im Herbst auf der Abendschule das Abitur nachholen. Einen neuen Freund hatte sie auch, einen Baseball-spieler, der nicht rauchte und nicht trank.
    In der letzten Märzwoche lud Maisa mich ein, mir die Kür der Paare bei der Weltmeisterschaft im Eiskunstlauf anzusehen. Die Firma ihres Mannes war unter den Sponsoren, daher bekamen wir Plätze in der VIP-Loge. Zu meiner Verwunderung entdeckte ich ein paar Reihen weiter Hauptkommissarin Kallio, die mir zuwinkte. Ich winkte zurück, obwohl ich bei ihrem Anblick immer unruhig wurde.
    Eiskunstlauf war eine schöne Sportart, fand ich. Jetzt war ich ein ums andere Mal einfach hingerissen. Geradezu erschüttert war ich von der Kür des eleganten Paars aus Deutschland, die die Gewalt in einer Zweierbeziehung zum Thema hatte. Als das Paar sich nach der Kür verbeugte, klatschten Maisa und ich, bis uns die Hände wehtaten.
    «Ich habe irgendwo gelesen, sie spenden einen Teil ihrer Ho-norare Frauenhäusern», flüsterte Maisa. «Solche Leute geben einem neue Kraft. Wie schön, dass wir uns die Kür gemeinsam anschauen konnten.» Sie fasste mich kurz um die Schulter, wie man es mit einer guten Freundin tut, und ich fand das gar nicht aufdringlich. Als Antwort drückte ich ihren Arm und lächelte.

    Am Gründonnerstag ging ich in die Krebsklinik, um mir die Untersuchungsergebnisse sagen zu lassen. Seit dem Abschluss der Chemotherapie waren gut drei Monate vergangen, jetzt würden wir sehen, wie ich auf die Behandlung angesprochen hatte. Die Krankheit war letztes Jahr im Mai festgestellt worden.
    Ich war ins kommunale Ärztezentrum gegangen, weil ich schon seit zwei Monaten einen Knoten in der Brust ertasten konnte.
    Man hatte mich zur Mammographie und Biopsie geschickt, und das Ergebnis fiel so aus, wie ich befürchtet hatte: Brustkrebs.
    Mitte

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