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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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Juni hatte man mir die linke Brust und die Lymphdrüsen entfernt. Die Prognose war nicht besonders günstig, obwohl in den Lymphdrüsen kein Krebsgewebe gefunden worden war und die Geschwulst mit einem Durchmesser von vier Zentimetern zum Typ II gehörte. Bei Frauen meines Alters lag der prozentua-le Anteil der Heilungen niedriger als bei denjenigen, die erst nach Beginn der Wechseljahre erkrankten, zudem war die Tei-lungsrate der Krebszellen bei mir sehr hoch.
    Die für die Terminvergabe zuständige Krankenschwester war ganz verlegen geworden, als sie merkte, dass sie mir für die Bekanntgabe der Untersuchungsergebnisse ausgerechnet den Gründonnerstag angeboten hatte. Mir war das egal, ich wusste, wie das Ergebnis lauten würde. Nachdem die Diagnose fest-stand, hatte ich alles über Brustkrebs gelesen, was ich nur finden konnte, und machte mir keine großen Hoffnungen. Der Arzt, der mich nach der Operation behandelt hatte, erklärte mir schroff, er könne mir nicht mehr viel Lebenszeit versprechen. Ich hoffte, wenigstens noch einen Sommer zu erleben, denn vom vorigen hatte ich nicht viel gehabt: Nachdem ich mich von der Operation erholt hatte, musste ich im Bleipanzer liegen und die Bestrahlungen über mich ergehen lassen. Während der Chemotherapie war ich fest entschlossen arbeiten gegangen, obwohl es mir oft schwer gefallen war, denn von den Medikamenten, die ich nehmen musste, wurde mir oft schlecht.
    Die Ärztin, der ich diesmal gegenübersaß, war eine schlanke, grauhaarige Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Der ständige Arztwechsel war belastend, in jeder Sprechstunde wurde immer wieder das Gleiche durchgekaut, für neue Fragen blieb keine Zeit.
    «Wie fühlen Sie sich? Die Haare sind offensichtlich nachge-wachsen, den Unterlagen nach waren sie fast ganz ausgefallen.»
    «Ja. Die Hautprobleme sind nach dem Ende der Strahlenbe-handlung auch ziemlich schnell zurückgegangen.»
    Die Ärztin breitete Röntgenaufnahmen vor mir aus. Ich konnte sie nicht deuten, mein Blick irrte ängstlich von einer Aufnahme zur anderen.
    «Es freut mich, Ihnen sagen zu können, dass die Untersuchungsergebnisse sehr positiv aussehen. Die Blutwerte sind in Ordnung, und es gibt keine Anzeichen für Metastasen oder neue Zellveränderungen. Wie Sie sehen, sind weder unter der Achsel noch in der rechten Brust Schatten festzustellen, es ist also tatsächlich gelungen, die Geschwulst vollständig zu entfernen. Die Bestrahlung und die Chemotherapie haben sehr gut angeschlagen. Es war richtig, die ganze Brust zu amputieren, weil es sich um eine schnell wachsende Geschwulst handelte.
    Die nächste Kontrolluntersuchung können wir im August machen, vorher ist es nicht nötig.»
    «Ich sterbe also nicht?», fragte ich so konsterniert, dass die Ärztin lächelte.
    «Sie sind zurzeit völlig gesund. Das entspricht zweifellos nicht den Prognosen, und ich kann Ihnen leider nicht versprechen, dass die Krankheit nicht wiederkehrt, aber in den nächsten zwei Jahren werden Sie jedenfalls nicht daran sterben.
    Womöglich werden Sie hundert Jahre alt.» Die Ärztin feixte geradezu, wahrscheinlich freute sie sich, zwischen all den Todes-urteilen auch einmal eine gute Nachricht liefern zu können.
    «Was hat mich denn geheilt? Nach der ursprünglichen Diagnose hatte ich praktisch keine Chance!»
    «Wodurch Krebs entsteht und wodurch er geheilt wird, ist immer noch nicht bis ins Letzte bekannt. Die Behandlungsmetho-den werden natürlich immer präziser, aber es hängt auch vieles von der Einstellung der Patienten ab. Manche genesen allein durch ihren starken Lebenswillen, andere finden erst durch die Erkrankung den Sinn ihres Lebens. Manche wagen zum ersten Mal an sich selbst zu denken, nachdem sie die Krebsdiagnose bekommen haben. Vielleicht kennen Sie die Antwort auf Ihre Frage ja selbst?»
    Die Stimme der Ärztin klang fröhlich und fest, ihre schmalen grauen Augen sahen mich interessiert an.
    «Ich hab bloß aufgehört, brav zu sein», hörte ich mich sagen.
    Dann musste ich so heftig lachen, dass ich fast vom Stuhl fiel.

    Neunzehn
    Neunzehn

    Die nächsten zwei Tage saß ich in meinem Schlafzimmer auf dem Fußboden, lehnte mich an die Wand und dachte nach. Wo-möglich schlief ich zwischendurch, aber ich konnte mich nach-träglich nicht daran erinnern. Offensichtlich fütterte ich Sulo wie immer, denn später bemerkte ich, dass die Vorräte an Katzenfutter kleiner geworden waren. Ich hätte an den Osterfeier-tagen arbeiten müssen, aber nach

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