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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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erzählt, dass er im Suff oft nach seiner Tochter weinte und die ehemalige Le-bensgefährtin verfluchte, die das Kind seinem alkoholsüchtigen Vater entzog.
    Es war sinnlos, noch länger frierend im Innenhof herumzu-stehen. Ich kaufte am Kiosk den Schokoriegel, auf den ich solchen Appetit hatte, und biss gleich hinein, um mir Mut zu machen. Dann öffnete ich die Tür zur «Zinnpfeife», die gleich nebenan lag.
    Für einen Montagabend ging es in dem Pub hoch her. Aus der Jukebox dröhnte ein Schlager von Aarne Tenkanen, einige Männer sangen mit. In einer Ecke wurde Darts gespielt. Mich schauderte beim Gedanken an den Alkoholpegel der Werfer.
    Heikki Jokinen saß ganz hinten an der Theke, über ein Bierglas gebeugt. Ich überlegte verzweifelt, was ich trinken sollte, auf Alkoholisches hatte ich keine Lust. Erleichtert entdeckte ich zwischen den Bierflaschen eine einsame Flasche Limonade, ging ans andere Ende der Theke und bestellte.
    «Hey, Mädchen. Du bist das erste Mal hier, was?», fragte eine fast nüchtern klingende Männerstimme neben mir, noch bevor ich das Glas in der Hand hatte.
    «Ja.» Ich trank einen Schluck und spürte bereits, wie sich der Zigarettenrauch in meinen Haaren und Kleidern festsetzte.
    «Was treibt dich denn hierher?» Der Mann im blaugrauen Jogginganzug ließ mich nicht in Ruhe, obwohl ich mir Mühe gab, nicht zu ihm hinzuschauen.
    «Ich hab einen Abendspaziergang gemacht und auf einmal Durst bekommen.»
    «Mit Limo kannste aber keinen Durst löschen. Hör zu, Make gibt dir jetzt ‘n Bier aus.»
    Ich schüttelte den Kopf und bemühte mich, höflich zu lächeln.
    Ich hatte mich geirrt, als ich glaubte, unsichtbar zu sein. Wie im Hotel Kuninkaantie waren auch hier die Männer in der Über-zahl, der Pub war ganz offensichtlich nicht der Ort für Verabre-dungen unter Freundinnen. Zwei Frauen saßen allein im Lokal, die anderen waren alle in männlicher Begleitung. Ich musste an die Kneipe in meiner Heimatstadt denken, wo meine Brüder zu feiern pflegten. Die Leute, die hier saßen, hätten sich auch dort wohl gefühlt: Mit Jogginganzug und Turnschuhen war man passend gekleidet, und welche Biersorte man trank, war egal.
    Neben Heikki Jokinen stand jetzt ein kleiner, untersetzter Mann, der Boots mit zehn Zentimeter hohen Absätzen trug. Seine nackten Arme waren vollständig tätowiert. Er sagte etwas zu Heikki, der ihn wütend von sich stieß.
    «Furchtbare Tätowierungen», sagte ich zu Make, der bei mir an der Theke geblieben war, obwohl ich seine Einladung zum Bier abgelehnt hatte.
    «Das ist Blomerus, ein alter Gauner, der russischen Fusel verkauft und wer weiß was sonst noch. Dem kommt man besser nicht zu nahe. Er hat öfter Zoff mit Heikki, weil Heikki seinen Schnaps immer auf Pump kauft, und Blomerus treibt seine Schulden ein, da kennt er gar nichts. Jetzt hat Heikki wieder Knete, er sitzt schon den vierten Abend hintereinander hier.
    Nun trink doch ein Bier, Mädchen, ich lad dich ein!»
    «Nein danke.» Ich blieb bei meiner Limonade und lehnte auch die Zigarette ab, die Make mir anbot. Es wäre sicher nicht schwer, mit Heikki Jokinen ins Gespräch zu kommen. Ich wusste bloß nicht, was ich ihm sagen sollte. Heikkis Finger trommel-ten abwechselnd ans Bierglas und auf die Theke. Seine dunklen Haare standen wirr vom Kopf ab, als hätte er sie seit Tagen nicht gekämmt.
    Russischer Fusel, das klang viel versprechend. Heikkis Trunk-sucht hatte offenbar das Stadium erreicht, in dem er alles trank, wenn nur Alkohol drin war. Konnte ich mir das zunutze machen, ihm illegal eine Flasche verscherbeln, die eine tödliche Dosis Gift enthielt? Aber wo sollte ich eine unversteuerte Flasche auftreiben, oder Gift? Blomerus sah noch Furcht erregen-der aus als Heikki, und andere Schwarzhändler kannte ich nicht.
    Meine eigenen Schlaftabletten waren nicht sehr stark, und am Arzneimittelvorrat des Schutzhafens wollte ich mich nicht ver-greifen.
    Make rauchte eine nach der anderen und erzählte von seiner sechsjährigen Tochter und dem achtjährigen Sohn, die nach der Scheidung bei ihrer Mutter geblieben waren. Ich ließ ihn reden, zog mich nur etwas weiter in den Schatten zurück, sodass ich Heikki Jokinen beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Die meiste Zeit stierte er in sein Bierglas, das er ziemlich schnell leerte. Als ich meine Limo ausgetrunken hatte, bestellte er sich gerade das dritte Bier.
    Ich war es leid, Zigarettenrauch einzuatmen und Makes Fragen nach Adresse und Beruf

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