Lehtolainen, Leena
auszuweichen. Mein Steppmantel war zu warm, aber ausziehen wollte ich ihn auch nicht, denn er machte mich so schön unförmig. Ich beschloss, nach Hause zu gehen.
Make versuchte halbherzig, mich umzustimmen. Ich bedank-te mich für seine Gesellschaft und ging. In der Kälte war der Gehweg hart geworden und glitzerte. Ein trockener Zweig knackte unter meinem Fuß, überraschend laut in der nun seltsam stillen Umgebung. An meinem Turnschuh war der Schnür-senkel aufgegangen, ich bückte mich, um ihn zuzubinden.
Als ich weiterging, hörte ich hinter mir ungleichmäßige, stockende Schritte wie von einem Betrunkenen.
Der Fußweg war beleuchtet, aber wie ausgestorben. Auf dem Sportplatz war niemand zu sehen, dahinter erstreckte sich zu beiden Seiten des Weges felsiger Wald, in dessen Schatten man sich leicht verbergen konnte. Meine Kondition war schlecht, ich wäre selbst für einen Betrunkenen leichte Beute.
Ich wagte nicht, mich umzusehen, ging aber so schnell ich konnte. Es war idiotisch gewesen, mir einzubilden, dass Heikki Jokinen mich nicht erkennen würde. Natürlich hatte er begriffen, warum ich in den Pub gekommen war, und jetzt wollte er mir eine Abreibung verpassen. Die humpelnden Schritte kamen immer näher, ich fing halb an zu rennen. Zum Glück kam mir aus dem Wald eine Frau entgegen, die zwei Schäferhunde an der Leine führte. Bis wir auf gleicher Höhe waren, war ich in Sicherheit.
Ich ging an der Frau vorbei. Die Schritte hinter mir waren immer noch zu hören, unregelmäßig, aber deutlich. Ich schaute mich um und sah hinter mir eine Gestalt, offenbar ein Mann, das Gesicht konnte ich nicht erkennen. Hinter dem Hügel war ich fast so weit kehrtzumachen. Ausgerechnet an der einsams-ten Stelle war die Straßenlampe ausgefallen. Vor mir lagen zwanzig Meter völlige Dunkelheit.
Es wäre das Klügste gewesen, stehen zu bleiben und auf den Nächsten zu warten, der seinen Hund ausführte, aber das brachte ich nicht fertig. Ich wollte nach Hause. Wenn ich es schaffte, auch nur hundert Meter zu rennen, war ich bei den Häusern, die am Hügel standen, und konnte vom einsamen Fußweg in die Wohnstraße abbiegen. Ich beschleunigte meine Schritte und fiel in Trab, obwohl jeder Muskel in meinen Beinen protestierte und ich schon nach zehn Metern Seitenstechen hatte. Doch das Rennen brachte gar nichts. Hinter mir waren jetzt Laufschritte zu hören, sicher und zügig, viel schneller als meine.
Ich hatte keine Chance zu entkommen.
Der Läufer holte mich an der dunkelsten Stelle ein. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, einen Schlag auf den Kopf, einen Würgegriff, ein Messer im Rücken – aber die Schritte zogen an mir vorbei. Als die Gestalt im Lichtkreis der nächsten Lampe auftauchte, erkannte ich die schwingenden Zöpfe einer joggen-den Nachbarin. Ich seufzte erleichtert auf, aber ich hatte mich zu früh gefreut.
Die anderen Schritte waren immer noch hinter mir.
Im Schutz der Dunkelheit wagte ich es, mich nach meinem Verfolger umzudrehen. Ich sah eine dunkle Steppjacke und eine schlotternde Hose, eine Mütze von einem halben Meter Länge und eine schlaffe Handbewegung, als er ein Streichholz anriss und sich eine Zigarette ansteckte. Es war bloß ein Teenager, der es genoss, dass eine ältliche Tante vor ihm davonlief.
Den Rest der Strecke kaute ich an meiner Blamage, aber immerhin hatte ich etwas gelernt: Meine Angst vor Heikki Jokinen war so groß, dass ich es nicht wagen würde, ihm Auge in Auge gegenüberzustehen. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.
Am Dienstag hatte ich Abendschicht, konnte also vormittags Erledigungen machen. Auf der Polizeidienststelle von Espoo erstattete ich Anzeige wegen der Drohanrufe. Der Beamte, der meine Meldung entgegennahm, war ein abgespannt aussehender Mann um die fünfzig, der ein wenig auflebte, als er hörte, dass ich beim letzten Anruf die Verbindung nicht unterbrochen, sondern von einem anderen Apparat aus die Polizei angerufen hatte.
«Wenn das so ist, finden wir die Nummer heraus. Der zuständige Ermittler wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.» Dann trommelte er ungeduldig auf die Tischplatte, hinter mir hatte sich schon eine Schlange gebildet.
Vom Polizeirevier fuhr ich mit dem Bus zum Alko und kaufte eine Halbliterflasche Koskenkorva. Vielleicht konnte ich sie irgendwann gebrauchen. Um nicht wie eine Säuferin zu wirken, erstand ich noch eine Flasche Rotwein dazu, damit es aussah, als brauchte ich den Schnaps für Glühwein. Immerhin war
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