Leiche in Sicht
Der Ouzo begann
Wirkung zu zeigen. «Ich mag Sie, Pringle», sagte sie und sah ihm tief in die
Augen. «Gestern abend, als Sie allen erzählten, daß Sie nur mitgekommen seien,
um sich an den Reisekosten zu beteiligen — Mensch, das fand ich toll, daß Sie
so ehrlich waren!» Mr. Pringle wurde rot.
«Soll ich Ihnen sagen, weshalb es mich
so nervös macht, so einen Typen wie Roge um mich zu haben? Ich habe einfach
Angst, gewalttätig zu werden, können Sie das verstehen? Eine bestimmte Art von
Dummheit bringt mich auf die Palme, und dann weiß ich unter Umständen nicht
mehr, was ich tue. Deshalb muß ich zusehen, daß ich schnell eine Apotheke
finde. Hier...» Sie zeigte ihm ein kleines Plastikfläschchen. Es waren nur noch
wenige Tabletten darin. «Die helfen mir, friedlich zu bleiben. Aber sie reichen
nur noch für wenige Tage.»
Plötzlich stand Roge neben ihnen am
Tisch.
«Sie sind gegangen, obwohl die
Unterweisung noch nicht zu Ende war», sagte er vorwurfsvoll. Louise blickte ihn
irritiert an.
«Ja und?»
«Jetzt wissen wir nicht, wie wir segeln
sollen!»
«Ach, du liebe Zeit! Unsere einzige
Aufgabe besteht darin, Port Spiglia zu finden, und das dürften selbst Sie
schaffen, Roge. Wenn wir aus der Bucht heraus sind, müßte es direkt vor uns
liegen.» Roge drehte sich wortlos um und ging. Louise hob in einer Geste der
Verzweiflung die Arme. «Dieser Mann sieht überall Probleme.» Mr. Pringle
lächelte matt. Nach Port Spiglia schien es weiter keine Entfernung zu sein,
aber das hatte für die Isle of Wight ja auch gegolten.
Mr. Pringle hatte sich vorgestellt, daß
eine Yacht nach der anderen den Anker lichten und sie alle, majestätisch wie
Schwäne, in einer Reihe hintereinander auslaufen würden. Er war eben noch nie
in einer Flottille gesegelt.
Patrick rechnete einen halben Tag für
den Weg nach Port Spiglia. Er hatte darauf bestanden, daß sie vorher noch an
Bord zu Mittag äßen, und so saßen sie alle gehorsam in der jeweiligen Plicht,
das Essen hinunterschlingend und einander mißtrauisch beäugend, bis schließlich
die ersten aufstanden, sich nach hinten stahlen und so taten, als stünden sie
nur herum, während sie in Wirklichkeit dabei waren, den Anker zu lichten.
Und plötzlich heulten überall die
Motoren auf, Abgase lagen in der Luft. An Bord der Zodiac machte Patrick
sich einen Spaß daraus, das Auslaufen zu kommentieren. Kate und John dagegen
aßen weiter, ohne aufzublicken. Warum hätten sie noch hinschauen sollen — sie
hatten es alles schon einmal gesehen.
«Da segelt die Libra», sagte
Patrick in heiterem Ton, «geradewegs über ihre eigene Ankerkette! Der Motor
heult wie verrückt; wenn sie so weitermachen, ist er gleich im Arsch...» John
seufzte gequält.
«Oh, holla! Käpt’n Phyllis hat ja einen
ordentlichen Zahn drauf... Ach nein, doch nicht — falscher Gang — sie fahren
rückwärts!»
Mit einem gräßlich knirschenden Geräusch
schrammte das Heck der Aquarius an der Betonmole entlang. Phyllis’
Geschrei war in der ganzen Bucht zu hören: «Abstoßen, abstoßen, Reggie!» John
schloß entnervt die Augen.
«Sinken sie schon?»
«Im Moment noch nicht. ‹Abstößen»...!»
sagte Patrick höhnisch. «Der arme Kerl hätte fast den Fuß verloren. Oje, ihr
Spiegel hat ganz schön was abbekommen. Hoffentlich haben wir genügend Poly-Fill
mit, um es auszubessern. Verdammt, jetzt hat die Virgo ihren Kurs
geändert und die Libra gerammt. Warum tun sie so was bloß?»
« Virgo und Libra», sagte
Kate langsam, das sind die Clarkes und die Hansons. Die beiden Familien sind
miteinander verwandt.»
«Dann muß man das, was ihre Boote da
miteinander treiben, wohl als Inzest bezeichnen. Aaah, ein Glück, bei der Aries ist alles glattgegangen, ganz ruhig jetzt. Und bei der Capricorn auch.
Nehmen sie jetzt auch nicht Kurs auf die gegenüberliegende Seite? Nein, sie
fahren brav aufs offene Wasser hinaus. Sehr schön! Immerhin zwei unserer
Bootsbesatzungen sind offenbar auf irgendeinem Tümpel schon einmal segeln
gewesen.»
«Die Aries hat die besten
Titten», sagte John großspurig.
«Zwei Paar. Eins für dich und eins für
mich», ergänzte Patrick grinsend. Kate strafte sie beide mit einem
verächtlichen Blick.
«Ihr sprecht doch wohl nicht von den
beiden Mädchen auf der Aries ? Falls doch, dann dürftet ihr euch
verrechnet haben. Sie sind ein paar Nummern zu groß für euch.»
Patrick beobachtete noch immer
fasziniert die bizarren Manöver der Virgo.
«Was haben die bloß
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