Leiche in Sicht
während des Zweiten Weltkrieges
vor Dünkirchen abgespielt. Hurst und er waren zusammen mit ein paar anderen
Männern in einem Patrouillenboot unterwegs gewesen, dessen Motor seine Tücken
hatte und mit ausgesprochenem Feingefühl behandelt werden mußte. Auf dem Weg
zurück zur Küste erhielten sie einen feindlichen Treffer, sanken aber nicht
gleich. Erst als der letzte Mann sicher an Land war, soff das Boot ab. Damals
hatte ihm Mr. Hurst versprochen, daß er nach dem Krieg, wenn er wolle, einen
Job bei ihm haben könne. «Für den Motor war nämlich ich zuständig, und ich habe
dafür gesorgt, daß er uns nicht im Stich ließ», erklärte er stolz. Mr. Pringle
fragte sich, warum ihm Mr. Clarke das alles erzählte. «Sehen Sie hier», sagte
dieser jetzt und zog ein vergilbtes Foto aus der Hosentasche, «das da ist ihr
Vater, und der da bin ich.»
Er drückte Mr. Pringle das Foto in die
Hand. Wie jung sie doch damals noch waren, dachte Mr. Pringle. «Ich kann Ihnen
leider nicht sagen, wann Elizabeth wieder zurück sein wird», sagte er
entschuldigend, «Matthew sprach davon, daß er noch Feuerholz für das Barbecue
sammeln wolle.»
«Ach, das macht ja nichts», sagte Mr.
Clarke. «Zeigen Sie es ihr, wenn sie zurückkommt. Ich möchte einfach, daß sie
es sieht. Seit dem Tod ihres Vaters hat sich im Werk vieles verändert. Danach
bin ich ja auch arbeitslos geworden.»
Ach ja. Jetzt konnte sich Mr. Pringle
wieder erinnern. Die Familie Clarke hatte die Abfindungssumme dazu benutzt, um
sich diesen Urlaub zu gönnen. Elizabeth würde nicht sehr erbaut sein, dachte
er, wenn man hier in den Ferien an sie herantrat, damit sie sich für eine
Wiedereinstellung stark mache. Abgesehen davon, daß ihr Wort, was geschäftliche
Dinge anging, wahrscheinlich gar nicht von Gewicht war. Aber seine
diesbezüglichen Sorgen waren überflüssig. Mr. Clarke war ein viel zu scheuer
Mann, um auf solche Art und Weise ein Anliegen durchzusetzen. «Zeigen Sie ihr das
Foto», wiederholte er, «ich denke, daß es ihr vielleicht Freude machen wird.»
Mr. Pringle wartete ab, bis sein Gast
von Bord war, dann ging er nach unten, um sich umzuziehen. Er hatte noch immer
etwas weiche Knie und spürte jetzt wieder, wie hungrig er war. Das Bier hatte
ihn auf den Geschmack gebracht, und er beschloß, an Land zu gehen und das
Strandrestaurant aufzusuchen. Doch kaum hatte er den Fuß an Land gesetzt, kam
ihm zu seinem Ärger Roge entgegen.
«Ich möchte zu Liz.»
«Sie ist nicht da.»
«Dann warte ich auf sie.» Es war
einfach lächerlich, dachte Mr. Pringle, wie alle Welt plötzlich hinter ihr her
war.
«Ich habe keine Ahnung, wann sie zurück
sein wird», sagte er unfreundlich.
«Das macht nichts. Und was haben Sie
vor?» Mr. Pringle spürte, wie die Wut in ihm hochstieg.
«Ich werde mich am Paracending
versuchen», sagte er von oben herab.
«Was ist das denn?» erkundigte sich
Roge neugierig. Doch Mr. Pringle drängte sich schweigend an ihm vorbei. Erstens
wußte er selbst nicht, was es war, und zweitens hoffte er, daß er, wenn er sich
beeilte, noch einen Blick auf die nackte Schöne werfen konnte. Doch sie war
nicht mehr da. Bestimmt hatte dieser Roge sie vertrieben, dachte Mr. Pringle
wütend.
Am Strand angekommen, sah er zum
erstenmal, was er da eigentlich vorhatte. Hoch über der Bucht schwebte an einem
Seil, das an einem Fallschirm befestigt war, in einsamer Höhe ein Mensch — von
unten sah er nicht größer aus als eine Puppe. Das andere Ende des Seils war mit
einem Schnellboot verbunden, das in wahnwitziger Geschwindigkeit den Bogen der
Küste entlangraste. In welch schwindelnder Höhe sich das arme Opfer befand,
ließ sich daran erkennen, daß die alte Festung, die sich ein paar hundert Meter
landeinwärts auf einem Hügelkamm erhob, ihm gleichsam als Kulisse diente.
Bei der zweiten Umrundung der Bucht
begann das Bündel unter dem Fallschirm zu fallen. Der Fallschirm flatterte, das
Bündel tauchte ins Wasser und wurde, als das Schnellboot an Geschwindigkeit
zulegte, wieder herausgehoben. Mr. Pringle mußte schlucken. Höher und höher
stieg der Fallschirm und mit ihm der Körper, bis das Boot schließlich drehte,
seine Fahrt verlangsamte und der Körper neben einer Plattform ins Meer sank.
Das also war Paracending, nun wußte er es. Wie hatte er bloß Roge gegenüber
erklären können, das versuchen zu wollen. Bevor er diesen Entschluß in
die Tat umsetzte, würde er noch jede Menge Bier brauchen — wenn überhaupt.
Im Restaurant
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