Leiche in Sicht
angekommen, sah er sich
um. Doch es war niemand da, den er kannte. Parga war offensichtlich ein
beliebter Ferienort, denn fast alle Tische waren besetzt. Elizabeth fiel ihm
ein. Ob sie daran gedacht hatte, einkaufen zu gehen? Die Vorräte in der Kombüse
gingen langsam zu Ende. Vielleicht hätte er doch dableiben sollen, um auf ihre
Rückkehr zu warten? Aber andererseits — er hatte schließlich die ganze Strecke
bis Parga am Ruder gestanden und durfte sich jetzt wohl entspannen.
«Darf ich mich zu Ihnen setzen?» Er
stand betont langsam auf, um ihr zu zeigen, wie unangenehm ihm ihre
Gesellschaft sei, aber Mrs. Gill hatte für solche subtilen Formen der Ablehnung
kein Gespür. «Ach, Ihr Bier sieht ja wirklich gut aus, ich glaube, ich nehme
auch eins. Haben Sie übrigens zufällig meinen Männe gesehen? Er wollte mit Miss
Hurst sprechen.»
Die zurückgedrängte Wut drohte ihn zu
ersticken. Er trank sein Bier in einem Zug aus und bestellte gleich ein zweites
Glas. Obwohl er sich taub stellte und durch keinerlei Reaktion zu erkennen gab,
daß er ihr zuhörte, plapperte Mrs. Gill munter drauflos, klagte über die Höhe
des Schulgeldes und daß ihr Männe sich Sorgen über seine berufliche Zukunft
mache. «Deshalb will er ja auch mit Miss Hurst sprechen», sagte sie und
lächelte Mr. Pringle erwartungsvoll an. Ihm fiel wieder ein, wie unfreundlich
sie in Levkas über Liz gesprochen hatte.
«Jetzt hören Sie mal zu», begann er
energisch. «Liz ist hier, um auszuspannen. Außerdem hat sie mir neulich erst
erzählt, wie leid sie es sei, immer wieder von wildfremden Leuten mit Bitten
bedrängt zu werden...» Mochte Mrs. Gill ruhig rot werden, es war ihm inzwischen
egal, wenn sie ihn als rücksichtslos erlebte. «Ich denke, daß Liz — wie jeder
andere — ein Recht darauf hat, hier draußen in Frieden gelassen zu werden. Ich
würde deshalb vorschlagen, daß Sie auf Ihr Boot zurückkehren und Ihrem Männe
ausrichten, was ich Ihnen gesagt habe.» Er hatte sich erhoben und wollte
gerade, um einen wirkungsvollen Abgang zu erzielen, seinen Hut ziehen, als ihm
gerade noch rechtzeitig einfiel, daß er den Panama an Bord gelassen hatte.
Wieder an Bord der Capricorn, mußte er feststellen, daß er Matthew und Liz ein zweites Mal verpaßt hatte. Sie
hatten ihm eine Nachricht hinterlassen.
Wir haben die Stadt erkundet und auch
schon Holz gesammelt. Übrigens: das Kleid ist toll! Und Liz hatte hinzugefügt: Vielen
Dank für das schöne Geschenk XXX. Er war ein bißchen verletzt, er wäre
gerne dabeigewesen, als sie das Päckchen öffnete. Nun ja... Er ging nach unten
und suchte in der Kajüte nach einem sauberen Hemd. Das war gar nicht so
einfach. An Bord herrschte inzwischen eine gewisse Unordnung, überall lagen
Kleidungsstücke herum. Es wäre schön gewesen, wenn sie auf ihn gewartet hätten.
Er stellte sich vor den Spiegel und
zwirbelte seinen Schnurrbart, so daß er sich an den Enden drehte, ein — wie er
fand — bewährter Trick, um jünger auszusehen. Das Mädchen mit der Halskette
fiel ihm wieder ein: eine rote Schnur mit grünen Perlen. Oder waren sie blau
gewesen? Das würde er morgen sofort nachprüfen. Vergnügt begann er eines seiner
Lieblingslieder zu trällern: «Zehn grüne Flaschen...» Das Wort «Flaschen»
brachte ihn plötzlich auf eine Idee...
In der Pantry mußte sich noch eine
letzte Flasche zollfreien Whiskys befinden. Als er sie aus dem Schrank nahm,
stellte er erstaunt fest, daß sie beinahe leer war. Ein Zettel von Matthew — «Sorry!»
— lieferte ihm die einfache Erklärung. Mr. Pringle goß sich den Rest ins Glas.
Er ging an Deck und setzte sich. Jetzt würde er erst einmal in aller Ruhe
seinen Drink genießen. Er hatte es nicht eilig, das Barbecue reizte ihn nicht
besonders. Seiner Erfahrung nach endeten solche Freiluftessen in der Regel
damit, daß man irgendwo im Nieselregen stand und an einem halbrohen Hühnerbein
kaute. Hoffnungsvoll blickte er gen Himmel. Wenn es jetzt schon nach Regen
aussähe... Doch der Himmel war wolkenlos.
Er beobachtete, wie mehrere der
weiblichen Mitglieder der Reisegesellschaft die Zodiac verließen, in
Klarsichtfolie verpackte Schüsseln in den Händen. Wie Priesterinnen auf dem Weg
zum Opfer, dachte er ironisch. Er sah zu, wie die Sonne langsam ins Meer san k,
dann stand er seufzend auf. Erstaunt registrierte er, daß er ziemlich wacklig
auf den Beinen war. Es mußte wohl doch noch mehr in der Flasche gewesen sein,
als er angenommen hatte. Andererseits konnte
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