Leichenfund - Killer Heat
redete weiter auf sie ein, um sie abzulenken. Er sagte ihr, wie glücklich er sei, dass er sie gefunden hätte, er sprach über ihr Geschichtsstudium und ihren Sommerjob. Er wusste, dass emotional brisantere Themen - Familie und Freunde, wer und wo sie waren - zu diesem Zeitpunkt fehl am Platz waren. Das würde sie nur in noch größere Verzweiflung stürzen.
Ich beugte mich über ihre gefesselten Hände. »Ich werde Ihnen jetzt die Arme etwas vom Körper wegziehen. Ist das in Ordnung?«
»Ja.« Ihr Atem ging regelmäßiger. »Ja.«
»Wenn es Ihnen wehtut, sagen Sie es mir, und ich ziehe nicht so fest.«
Langsam und behutsam begann ich, die Fesseln durchzuschneiden. Es dauerte länger als erwartet, und zwei Mal zuckten Pams Hände ruckartig von mir weg.
Mike versuchte, sie indes mit seinem Charme und Smalltalk zu beruhigen und abzulenken. Es war sinnlos, ihr Fragen zu stellen, solange wir noch in dem Verlies waren.
»Ich bin fast fertig, Pam«, sagte ich. »Gleich sind Ihre Hände frei.«
Ein Donnergrollen rollte über uns hinweg. Pam blinzelte heftig und sah zur Treppe.
»Das ist nur das Gewitter«, sagte Mike. »Dort oben ist niemand. Ich lasse Sie nicht allein. Wir sind gleich fertig.«
»Geschafft«, sagte ich.
Ihr rechter Arm fiel schlaff nach unten. Mike nahm ihn und massierte ihr schlankes Handgelenk.
»Danke, danke, danke.« Pams heisere Worte waren wegen ihres Schluchzens kaum zu verstehen.
Die Fußfesseln konnte ich schneller durchtrennen, aber ihre Gliedmaßen waren so taub, dass sie es gar nicht gleich mitbekam.
»Wir werden Sie jetzt aufsetzen«, sagte ich. »Mike wird sich kurz umdrehen, während ich Ihnen seine Jacke anziehe, okay?«
Man musste dem Opfer alles erklären, was man tat. Ihm das Gefühl geben, wieder die Kontrolle über die Situation zu erlangen und an allen Entscheidungen teilzuhaben.
Mike stand auf. Ich half Pam dabei, die Arme in die Jackenärmel zu stecken, und zog dann den Reißverschluss der Nylonjacke zu.
»Wir richten Sie jetzt auf, sodass Sie stehen können«, sagte ich.
Mike fasste die zierliche junge Frau unter den Achseln und versuchte, sie langsam hochzuziehen.
»Ich kann nicht«, sagte Pam mit Tränen in den Augen. »Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
»Sie müssen gar nichts tun, Pam«, sagte Mike. »Ich trage Sie nach oben. Ich werde Sie über meine Schulter legen. Haben Sie schon mal gesehen, wie Feuerwehrmänner das machen? Sie müssen sich einfach nur festhalten -«
»Ich kann nicht«, sagte sie wieder und blickte auf ihre Hände.
»Ich bin direkt hinter Ihnen. Überlassen Sie alles Weitere Mike.«
Mike hob Pam hoch und legte sie sich, so sanft er konnte, über die Schulter.
Ich leuchtete mit der Taschenlampe auf die Stufen und während Mike sie die Treppe hinauftrug, nahm ich Pams Hand, die hinter seinem Rücken herunterbaumelte.
Er brachte die benommene Frau in das Zimmer, das wahrscheinlich einmal das Wohnzimmer des befehlshabenden Offiziers gewesen war - es war der größte Raum, den wir gesehen hatten -, und legte sie auf das Polstersofa an der Wand.
Ich ging ans Fenster und zerrte an den schweren Goldvorhängen.
»Was zum Teufel machst du da?«, fragte Mike.
»Scarlett O’Hara hat es auch geschafft.«
»Was geschafft?«
»Aus den moosgrünen Samtportieren ihrer Mutter ein Kleid zu nähen.«
Ich zog einen Stuhl ans Fenster, stieg darauf und nahm die hölzerne Gardinenstange ab. Die beiden Vorhänge rutschten zu Boden.
Ich nahm sie und ging damit zu Pam. »Ich würde Sie gern damit zudecken, bis wir Ihnen trockene Sachen zum Anziehen besorgen können. Sie sind nur staubig.«
»Und ich hole Ihnen Wasser«, sagte Mike. »Wann haben Sie das letzte Mal etwas getrunken?«
Sie legte die Hand an den Hals, als würde sie dadurch besser sprechen können. »Ich weiß nicht. Welcher Tag ist heute?«
»Heute ist Dienstag, Pam«, sagte ich.
»Gestern«, sagte sie.
Mike ging zur Haustür und kam mit der Feldflasche zurück, mit der er die Fensterscheibe eingeschlagen hatte. Als Pam sie sah, begann sie wieder zu zittern.
»Ich habe sie mit Regenwasser gefüllt«, sagte Mike. »Aber Sie müssen langsam trinken.«
Sie schreckte vor der Feldflasche zurück. »Nein. Sie gehört ihm.«
Mike kniete sich vor sie. »Auf der Insel gibt es kein Trinkwasser, Pam. Das ist alles, was wir Ihnen anbieten können. Sie müssen etwas trinken. Kommen Sie.«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
Mike goss etwas Wasser in sein Taschentuch und benetzte damit ihre
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