Leichensache
seine Annäherungsversuche nicht eingegangen –, haben wir uns zusammen eine Wohnung gesucht, weil ich mein Zimmer damals auch nicht so toll fand. Die Wohnung in der Schillerstraße gefiel uns ganz gut, war nicht so teuer, im Grünen, zwar ’n bisschen weit draußen, aber das war nicht so schlimm. Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden, obwohl wir schon sehr verschieden waren. Kerstin war schon so ein kleiner Szenetyp. Sie machte unglaublich viel Sport, Squash und Bodybuilding und so und hatte auch entsprechende Freunde. Ich meine damit, dass der ein oder andere Schickimicki schon dabei war.
Die meisten kannte ich nur mit Namen. Nennen könnte ich
Uli Delkeskamp, der irgendwo in der Altstadt wohnt,
Rüdiger Schmid, ein Porschefahrer, der bei einer Marketingfirma im Industriegebiet arbeitet,
Michael, dessen Nachnamen ich nicht kenne. Eigentlich der Netteste von allen. Der studiert Sport an der hiesigen Hochschule.
Von den anderen kann ich mich nur noch an einen Marcel erinnern. Der fährt ein Cabrio mit Kölner Kennzeichen, glaube ich.
Das sind aber nur die, die ich kenne, ansonsten kamen hier auch schon mal andere Jungs vorbei, aber wenn das nur einmal war, habe ich an den Namen keine Erinnerung mehr.
Intime Beziehungen hatte Kerstin auf jeden Fall zu Uli Delkeskamp und zu Michael. Der mit dem Cabrio hat auch einige Male hier übernachtet. Sonst fällt mir im Augenblick eigentlich keiner mehr ein. Sollte ich mich noch an etwas erinnern, werde ich das der Polizei natürlich mitteilen.
Ulla sieht rüber, lächelt verlegen, schreibt weiter.
Frauenbesuch hatte Kerstin kaum. Neben ihrer Schwester kamen manchmal nur noch
Ines Möller
und
Claudia Borwig
des Öfteren vorbei. Beide wohnen im Studentenwohnheim an der Uni und sind Kommilitoninnen. Wir haben auch schon mal zu viert gelernt oder etwas unternommen, ins Kino oder so, aber relativ selten. Vielleicht so zweimal im Monat. Kerstin und ich haben viel miteinander gemacht, allerdings beschränkte sich das meistens hier auf unser Zusammenleben in der Wohnung und aufs Studium. Wenn wir beide nichts vorhatten, sind wir abends auch schon mal auf ein Bier rausgegangen. Aber wir hatten beide sehr unterschiedliche Freundeskreise. Von meinen Freunden könnte ich jetzt keinen nennen, der eine nähere Beziehung zu Kerstin hatte. Die Leute, die mich besucht haben – die Namen habe ich ja heute Morgen schon genannt –, denen war, soweit ich das beurteilen kann, Kerstin ziemlich egal. Sie fanden sie eigentlich alle zu gestylt. So ähnlich war das ja auch, aber wenn man sie näher kannte, entdeckte man mehr hinter der Fas sade.
Unter der gestörten Beziehung zu ihren Eltern, speziell zu ihrem Vater, darunter hat sie sehr gelitten. Die haben sie, soweit ich mich erinnern kann, noch nie hier besucht. Sie haben sich vor ein paar Jahren mal wegen eines Freundes von Kerstin sehr gestritten, und sie ist dann ausgezogen. Der Typ war wohl so was wie ihre große Liebe, verkehrte aber stark im Zuhältermilieu, was Kerstin dann auch bald gemerkt hat. Sie hat die Sache dann beendet. Der Knacks in der Beziehung zu ihren Eltern blieb jedoch.
Wie gesagt, ihre beiden Schwestern, die kamen ab und zu mal vorbei. Die eine ist verheiratet und lebt in einem Dorf im Münsterland. Die jüngere macht ’ne kaufmännische Lehre im Betrieb der Eltern. Die ist noch nicht verheiratet, hat aber, glaube ich, einen Freund, aber den kenne ich nicht.
Mehr fällt mir im Augenblick dazu nicht ein.
Noch zur Sache:
Den gestrigen Abend habe ich ja heute Morgen schon ausführlich geschildert.
Ich habe mir soeben die Vernehmung noch einmal durchgelesen und kann alles so bestätigen.
Mehr kann ich im Augenblick auch dazu nicht sagen. Mir ist lediglich noch eingefallen, dass der Täter so eine komische Kette mit einem sehr großen, silbernen Anhänger um den Hals hatte. So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Das war so oval, an einer Kette. Mehr habe ich davon nicht gesehen, war ja auch nur ganz kurz.
Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Für weitere Fragen stehe ich zur Verfügung.
Geschlossen:
Stroter, KHK
Das Telefon klingelt.
10 Uhr 12
Jetzt quatscht der Präsident schon seit acht Minuten. Keine Ahnung von der Sache, hat noch nicht mal ’nen Auszug aus der Akte gelesen, kein Gespräch geführt, keine Nachfrage, nichts, aber quatscht und quatscht und quatscht. Ob die Engländer das gewusst haben nach dem Krieg, was für ’nen überflüssigen Posten sie da
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