Leichensache
geschaffen haben. Aber unserer ist auch ein besonderer Arsch. Machtgeil, selbstverliebt und mies. Das sind unsere politischen Führungskräfte: aufgeblasenes Getue, sülzen vor der Presse. Verkauf von Leere mit großer Geste, aber nicht in der Lage, einem bei ’ner Auseinandersetzung in die Augen zu sehen. Kein Wunder, dass die draußen Bomben werfen. Dieses lächerliche Demokratiegerede. Is doch alles nur rücksichtsloses Geschiebe einer Clique. Ob in Berlin, inner Wirtschaft oder im letzten Fußballverein.
Wird man wohl so, wenn man so was macht, oder ist Charakterlosigkeit Voraussetzung, um sich nach solchen Sachen zu drängen? Der hier jedenfalls findet es richtig toll, seinen kleinen Kommissariatsleitern mal zu zeigen, wer der König ist. Vielleicht schmeiß ich auch noch mal ’ne Bombe.
Tote Katze am Straßenrand, gebogener Leib, verfilztes Fell, sandig, Zunge aus geöffnetem Maul, offene Bauchdecke, grün glänzende Fliegen auf rotem Fleisch …
Die Reporter halten ihre Diktiergeräte in Richtung Podium, einige schreiben auch.
Der dicke Zwiesel von der Bildzeitung hat ’nen neuen Fotografen dabei, langer Bursche, sieht ’n bisschen aus wie Tom Cruise. Die Frauen alle im typischen Reporterinnendress. Vorn links sitzt ’ne Barbie-Puppe im grauen Kostüm. Schwarze Strümpfe, schwarze Pumps, blonde Mähne. Langweilig. Macht bestimmt Bodybuilding. Schade, dass Ayse gestern schon weg war. Kann mich gar nicht mehr richtig an das Gesicht erinnern. Aber die Haare. Langsam mit einem Finger den dunklen Flaum am Nacken aufrichten, dann mit der gespreizten Rechten diese schwarze Masse unterwandern, sacht nach vorn durchkämmen, mit dem Finger über die Nasenspitze und die Lippen in die Knopfleiste des T-Shirts gleiten, dann …
»Näheres dazu kann Ihnen jetzt der Leiter der Mordkommission, Kriminalhauptkommissar Kirchenberg, sagen. Herr Kirchenberg …«
»Äh, ja …«
12 Uhr 20
Ulla hat Kaffee gekocht, sehr stark. Der wird nicht mal nach ’nem halben Liter Milch heller. Die Bude ist verqualmt.
Müller kommt rein und legt den ersten Abzug vom Phantombild auf den Tisch.
»Das isser!«
Ulla nimmt das Bild, gibt es herüber. Sieht zum Glück nicht so furchtbar konstruiert aus wie sonst schon mal. Vielleicht ganz brauchbar.
»Was sagt sie denn, wie isses geworden?«
Müller hebt die Arme.
»Sie sagt, es käme ihm schon ziemlich nah. Übrigens, Ulla, warum sitzt ’ne Blondine den ganzen Tag auf der Heizung?«
»Müller, verschon mich.«
»Weil der Klempner sagt, die leckt.«
Das Telefon klingelt.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
Der Anzeiger. Noch eine Nachfrage zur Pressekonferenz.
Müller schwirrt wieder ab.
»Mach erst mal fünfzig Abzüge. Wenn wir noch welche brauchen, können wir ja jederzeit was nachmachen«, ruft Ulla hinterher.
Im Radio singt irgend so ein Italiener zusammen mit Paul Young. WDR II, typisch. jede dritte Scheibe, mindestens. Aber diese geht ja noch. Das Video war letztens bei MTV. Ulla macht lauter, summt mit.
Schmidt und Brokamp kommen rein. Schmidt nimmt eine von Ullas Zigaretten.
Telefon.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
Müller fragt nach den Formaten.
»Nimm erst mal zwanzig größere, den Rest normal. Zum Vorzeigen passen die besser in die Tasche.«
Die Schreibkraft legt was ins Körbchen, geht wieder. Ulla reicht ’ne Zigarette.
Jetzt nicht.
Telefon.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
Atze vom LKA. Zwei Anträge sind nicht unterschrieben.
»Atze, jetzt stell dich doch nicht so dämlich an. Dann unterschreib die doch eben.«
»Aber da steht doch schon dein Name in Schreibmaschine drunter.«
»Das ist doch jetzt nicht dein Ernst. Dann streich es durch, Mann. Oder willst du die hundert Kilometer noch mal zurückfahren?«
Der hat sie doch wohl nicht alle.
Manhattan.
Blick vom Empire State Building, Autos tief unten, ein Selbstmörder springt, langer Flug, zerschmettert auf dem Gehsteig, durch einen Spalt der aufgeplatzten Schädeldecke schimmert das Hirn wie Fruchtfleisch einer Wassermelone …
Telefon.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
Das Vorzimmer des Präsidenten. Sie verbindet.
»Herr Kirchenberg, wir hatten ja heute schon auf der Pressekonferenz das Vergnügen … Ich nehme an, dass Ihre Ausführungen vor der Presse nicht alle Fakten enthalten haben, darf ich Sie daher um 14.00 Uhr zu mir bitten für einen kurzen Bericht?«
»Tut mir Leid, aber um 14.00 Uhr ist ein wichtiger Termin mit den Gerichtsmedizinern.«
Fragender Blick von
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