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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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zusammen. Ein paar von den Pornoläden am Bahnhof gehörn dem auch. Diese Wichsschuppen. Aber Geld ist damit zu machen. Man muss nur einen finden, der mit dem Aufnehmer da durchwieselt.
    Hey! Mann! Das isses! Verdammte Scheiße. Der ist da reingetreten. Der Täter war vorher in so ’nem Laden. Daher das Sperma am Schuh. Dass da noch keiner draufgekommen ist. Sofort Ulla anrufen.
    Der Rottweiler am Teich ist zum Glück nicht mehr da, die Kinder auf der Parkbank auch nicht. Bei Sener ist es voll.
    Die blöden Prospekte. Auf der zweiten Treppe sitzt der alte Siele. Schon wieder stramm?
    »’n Abend.«
    »Guten Abend.«
    »Na, ’n kleines Päuschen machen auf dem Weg nach oben?«
    »Sieht wohl so aus«, er lacht. »Nein, nein, ich habe meinen Schlüssel drinnen gelassen, und die Tür ist zu.«
    »Ach du lieber Himmel. Wie spät isses denn?«
    »Viertel nach zehn.«
    »Auch das noch. Etwas zu spät. Da nimmt der Schlüsseldienst schon Nachtzuschlag.«
    Er winkt müde ab. Zwei Schweißtropfen fallen von der Nase.
    »Schlüsseldienst brauch ich nicht. Ich habe meinen Bruder angerufen, der hat einen Schlüssel. Mit dem Auto braucht der aber noch ’ne Zeit.«
    »Dann geht’s ja noch.« Den kann ich doch hier nicht sitzen lassen.
    »Wollen Sie sich nicht zu mir setzen? Ist ’n bisschen angenehmer als hier draußen.« Skeptischer Blick.
    »Ich will Ihnen keine Umstände machen, so spät.«
    »Ach, wo. Ich geh sowieso nie vor zwölf ins Bett.«
    Er nickt, steht auf. »Na gut. Sehr nett. Die Treppe ist wirklich ein wenig hart und kalt. Ich müsste nur unten an der Klingel einen Zettel anbringen.«
    Er kramt in den Taschen, hält Zettel und Kugelschreiber hoch, geht runter.
    Die Tür anlehnen, erst mal ’n Bier. Siele kommt rein, bleibt in der Küchentür stehen, lässt den Mantel an.
    »Wollen Sie sich nicht ausziehen? Wer weiß, wann Ihr Bruder kommt.«
    Er stimmt zu, zieht den Mantel aus, altes Teil, legt ihn über die Lehne des Küchenstuhls. Die Bierflasche zischt beim Öffnen.
    »Was kann ich Ihnen anbieten? Sie können auch was anderes haben. Wasser, Wein oder Kaffee?«
    Er atmet durch, prüfender Blick, überlegt.
    »Wenn Sie es schon anbieten, nehm ich gern einen Wein, einen roten nach Möglichkeit.«
    Ist möglich. Ein trockener Roter aus Spanien. Er fasst das Glas am Stiel, trinkt, anerkennendes Nicken.
    »Sie sind bei der Polizei, nicht wahr?« Woher weiß der das denn?
    »Ist das so bekannt hier im Haus? Ich dachte immer, hier weiß keiner was über den anderen.«
    Er lächelt, trinkt.
    »Das stimmt eigentlich auch, aber bei Polizisten weiß man so was meistens.«
    Das Bier ist ziemlich warm. Langsam beginnt am Rücken die Kühle hochzukriechen. Erst mal hinsetzen.
    »Ja, wirkt immer so exotisch, hab ich das Gefühl, ist es aber gar nicht.«
    »Was machen Sie da, wenn ich fragen darf?«
    »Ich bearbeite Kapitaldelikte, also in erster Linie Tötungsdelikte, Morde und so. Exakt ausgedrückt leite ich Mordkommissionen.«
    Er schiebt die Unterlippe vor, nickt, trinkt dann. Seine Augen fixieren einen Punkt an der Decke. Er beugt sich vor.
    »Ist es für Sie ein Problem, mit dem Leid fertig zu werden?«
    Er stützt sich auf beide Ellbogen, aufmerksamer Blick. Leid?!
    »Eigentlich nicht, nein. Wir werden natürlich nach so einer Tat häufig mit trauernden Angehörigen konfrontiert, aber es gab in all den Jahren vielleicht drei oder vier, bei denen ich sehr berührt war. Alle anderen versinken bei mir so ein wenig in der Sachlichkeit der Ermittlungen.«
    Die Küchenuhr tickt.
    »Ich denke, anders wäre es wohl auch nicht möglich.«
    »Nein, wohl nicht. Die Kinder sind natürlich immer schlimm. Aber wissen Sie, das Umfeld der Täter, in das man jedes Mal sehr tief eindringt, es zumindest versucht, greift einen oftmals genauso an. Klingt herzlos, nicht?«
    Er schüttelt kaum merklich den Kopf. »Nein, keineswegs, das versteh ich sehr gut.«
    »Am Anfang dachte ich immer, dass sei Gefühl für die Falschen, auch wenn die Eltern eines Täters nichts mit seiner Tat zu tun haben«, ’n Schluck Bier, »ist es natürlich nicht. Einen Menschen auf grausame Weise zu verlieren ist sicherlich oft unverwindbar. Aber mit einer Schiffsladung Schuld zu leben ist vielleicht genauso schwer.«
    »Ja, die Schuld. Wohl ein zentraler Punkt in unserem Leben.«
    Wie der spricht, heute Abend. Der wirkt so ganz anders.
    »Das ist eine ganz eigenartige Erfahrung, wissen Sie, die man natürlich nicht verallgemeinern kann, sondern im Einzelfall

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