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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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los? Kaffee hab ich schon gehabt.«
    »Mein Gott, so eilig.«
    »Desto früher sind wir zurück.«
    »Hm. Nich mal Zeitung lesen kann man in Ruhe. Affenstall.«
    Kadett oder Golf? Golf. Gerster kommt lesend aus dem Vernehmungszimmer. »Was ist das denn? Der Meister fährt persönlich raus?«
    Schulterzucken, ahnungsloses Gesicht.
    »Hast dir wahrscheinlich die Zuckerspur gesucht.«
    Ulla geht vor, holt den Fahrstuhl, wartet.
    »Wie viele Läden gibt es davon überhaupt in der Stadt?«
    »Keine Ahnung. Zwei kenn ich vom Vorbeifahren, am Bahnhof. Müssen mal fragen.«
    »Kann ich mir gar nicht vorstellen, wie das aussieht. Kabinen haben die? Warst du da mal drin?«
    »Du, irgendwann mal vor’n paar Jahren. In einer MK. Weiß ich kaum noch.«
    Der Fahrstuhl kommt.
    11 Uhr 47
    Ulla hat Schwierigkeiten, am Ausgang den Schlitz im dichten dunkelroten Filzvorhang zu finden. Draußen, sie spreizt die Finger beider Hände, zieht die Mundwinkel nach unten.
    »Hoffentlich holt man sich da nichts. Ekelhaft.«
    »Find ich auch.«
    »Einen haben wir noch?«
    »Ja, hinten am Bahnhof. Ist, glaub ich, sogar ’n ziemlich großer.« Wieso liegt hier so viel Müll auf der Straße rum? Wahnsinnig viele Dosen, meistens Bierdosen. Fegen die hier nicht?
    Neben einem Lampenladen ein Eingang mit Neonfiguren. Brüste in Blau, Herz in Rosa, Pimmel in Gelb. Kein Filzvorhang. Ulla lässt den Vortritt, links und rechts endlose Kabinenreihen, rote Lämpchen darüber. Einige brennen.
    An den Wühltischen und den Regalen stehen Kerle, blättern in Magazinen. Hinterm Tresen ein Aufpasser, wechselt einem Trenchcoat ’n Zwanziger in Eurostücke. Bei dem hab ich auch schon mal gewechselt, Scheiße. Hat er hoffentlich vergessen.
    Der Aufpasser hat noch zu tun, Ulla pflückt sich aus dem Wühltisch beim Warten ein Magazin heraus, Pissende Teenies 3, betrachtet die Titelseite, legt es zurück. Roter Kopf. Der Aufpasser ist fertig.
    »Tag, Kirchenberg, Kriminalpolizei, Mordkommission.«
    »Tag.« Er schiebt beeindruckt die Unterlippe vor.
    »Wir ermitteln zurzeit in einer Mordsache, bei der eine junge Studentin getötet wurde. Der Täter hat sie in der Nacht zum Mittwoch in ihrer Wohnung umgebracht, und wir haben Hinweise darauf, dass er vor der Tat in einem Sexshop war.«
    »Dies ist ein Erotikbasar.« Idiot.
    »Okay, er könnte auch in einem Erotikbasar gewesen sein, jedenfalls irgendwo, wo man in Sperma tritt.« Hoffentlich war das nicht zu dick, nachher erkennt der einen noch. Der guckt so. Ist nicht grad polizeifreundlich.
    »Wieso muss es unser Kaufhaus gewesen sein?«
    »Muss es ja nicht, aber es könnte sein. Ist Ihnen dieser Mann aufgefallen, Dienstag, gegen Abend?« Er nimmt das Foto.
    »Ne, kenn ich nicht«, schüttelt den Kopf, »Dienstag war ich aber auch nicht hier. Da war Zapp hier.«
    »Zapp?«
    »Ja, Reinhard Zapp, mein Kompagnon. Wir betreiben das Geschäft gemeinsam. Er löst mich heute um drei Uhr ab.« Drei Uhr ist zu spät.
    »Wenn ich Ihnen ein Bild dalasse, können Sie’s ihm bitte zeigen. Wenn er etwas dazu sagen kann, kann er mich ja anrufen. Ich lege meine Karte dazu.« Er nimmt sie, betont lässig.
    »Wiedersehn.«
    Ulla geht vor. Einem Alten mit wirrem Haarkranz fallen polternd drei Videokassetten aus dem Regal. Er will sie hektisch auffangen, reißt noch zwei andere runter, kriegt ’ne knallrote Birne. Zwei Kabinen am Ende der Reihe stehen offen. Auf dem PVC glänzen drei dicke Kleckse. Ulla zeigen.
    »Siehst du, das meine ich. Deshalb sind wir hier.« Sie sieht genau hin, dreht sich, imitiert einen Kotzanfall, geht raus.
    »Das ist doch wohl das Allerletzte.« Kopfschütteln. »Da hätt ich lieber gar keinen Sex als so was. Ekelhaft.«
    »Ein Indiz für die Vereinsamung der Gesellschaft.«
    »Fällt dir sonst noch was Blödes ein. Hör bloß auf!« Sie schnaubt. »Das ist schon ’ne reine Männerkiste. Wieso gehen Frauen nicht in so was, hm? Ne, ne, mein Lieber.«
    »Vielleicht würden sie ganz gerne, trauen sich aber nicht.«
    Sie lächelt gekünstelt.
    »Ach ja, ihr seid ja auch noch mutiger, hatte ich ganz vergessen.«
    »Reg dich nicht auf.« Sie lässt sich in den Arm nehmen, der Kopf wackelt schlaff hin und her.
    Recht hat sie. Wahrscheinlich haben Frauen wirklich ’ne ganz andere Sexualität, jedenfalls die meisten. So einfach nur aus purer Geilheit …
    »Aber mit Einsamkeit hat’s vielleicht doch was zu tun«, sie redet wieder ruhiger.
    »Und mit Mut auch, nur anders.«
    Sie sieht hoch, zuckt die Schultern. Eine

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