Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Bauch zu der Wunde im Wanst des Drachen. Ein übler Gestank ging von dem grünlichen Schleim aus, der noch immer aus der Wunde sickerte. Rebekka warf ihre Arme nach vorn und packte die Ränder der Wunde. Drei Fuß. Breit genug! Sie zog sich hoch, in die Bauchhöhle des Monstrums hinein. Sie musste nicht atmen. Sie war Vampir! Rebekka spürte, wie der Drache sich bewegte.
Der Schmerz, den er eben losgeworden war, er war wieder zurückgekehrt! Das Untier breitete seine Flügel aus und erhob sich in die Luft. Aber Rebekka kämpfte sich weiter vor. Hoch, nach oben! Tief hinein in den stinkenden Leib des Monstrums! Etwas schlug an ihre Wange. Warm. regelmäßig. Das Herz des Drachen. Sie konnte hier nicht sehen, aber sie musste auch nicht sehen können! Rebekka schob ihre Hand weiter vor, bis sie das Drachenherz in den Händen hielt. Dann drückte sie zu.
Der Drache kämpfte, schlug um sich, brüllte und spie Feuer gegen einen Feind, den er nicht sehen konnte. Dann erschlaffte er mitten in der Luft. Er war bis aufs offene Meer hinaus geflüchtet. Sein Körper stürzte aus den grauen Wolken in die Tiefen der schwarzen See. Rebekka umklammerte das Drachenherz mit aller Kraft. Es schlug nicht mehr, aber sie ließ nicht locker. Dann begann der Drache sich aufzulösen. Sein Fleisch zerfiel, löste sich in Fetzen von den Knochen und wurde zu einem zähen, schwarzen Brei. Das Drachenherz verwandelte sich in ihren Händen in Schleim.
Das Meerwasser spülte den schwarzen Schleim davon und ließ nur die blanken Knochen übrig. Wie lange hatte das gedauert? Eine Woche? Einen Tag? Eine Stunde? Rebekka konnte es nicht sagen. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie lag zwischen den bleichen Knochen des Drachen auf dem sandigen Grund des Meeres. In ihrem Kopf kreiste nur ein Gedanke. Wohin war der Geist des Drachen verschwunden? Ins Nichts? Oder hatte der Drache einen anderen Wirt gefunden? War der Drache verendet oder hatte er überlebt?
82. Kapitel
Ich folgte dem Schakal, so schnell es mir möglich war. Mein Knie machte mir keinen Ärger und auch die Kondition war recht passabel, aber Halef Omars Tempo hätte ich nur zu Pferde halten können. Seit drei Tagen waren wir unterwegs. Wäre ich allein unterwegs gewesen, ich wäre nach Bukarest gegangen. Dort hätte ich ein Pferd erwerben und mich auf die Suche nach Rebekka machen können. Ihre Abwesenheit brannte ein Loch in mein Herz. Aber ich war mit einem Kerl unterwegs, der das Aussehen eines Schakals hatte und ich bezweifelte, dass die Walachen hier in der Gegend ihn in ihr Heim einladen würden. Wir mieden die Orte und wanderten nachts.
Gegen Ende der dritten Nacht kamen wir an den Rand einer kleinen Gemeinde. Wir blieben in der Deckung des Waldes und schlugen ein kleines Lager auf. Gegen elf Uhr nahm ich meinen Sack, schwang ihn über die Schulter und machte mich auf den Weg ins Dorf hinunter. Ich kaufte ein Pferd, Sattel und Zaumzeug. Der Händler fragte nach meinem Woher und Wohin. Ich erzählte ihm, dass mein Pferd sich während des Sturms, der bis vor zwei Tagen getobt hatte, die Beine gebrochen hatte und dass ich nach Bukarest unterwegs sei. Die Geschichte hätte gut der Wahrheit entsprechen können.
Um meine Behauptung noch glaubhafter zu machen, ritt ich nicht gleich zu Halef Omar zurück. Ich setzte den Weg fort, auf dem ich ins Dorf gekommen war. Erst als ich sicher sein konnte, dass man mich von der Ortschaft aus nicht mehr sehen konnte, lenkte ich mein neues Pferd in den Waldsaum. Ich ritt in großem Bogen um den Ort herum, bis ich auf Halef Omar traf. Er hatte unser kleines Lager schon abgebrochen und die Spuren verwischt. „Wollt Ihr mitreiten?“, fragte ich. Halef bleckte die Zähne. „Ich laufe gern, Freiherr, aber danke für das Angebot!“ Wir kamen in dieser Nacht schneller voran. Halef brauchte seine Geschwindigkeit nicht zu bremsen, nun, da ich ein Pferd unter mir hatte. Wir ritten zurück zur Küste. Ich musste Rebekka finden.
Es war vier Tage her, dass wir gegen den Drachen gekämpft hatten. Vier Tage, seit ich Rebekka mit dem Drachen am Himmel verschwinden sah. Ich konnte, ich wollte nicht glauben, dass Rebekka tot war. Sie war unsterblich. Ich klammerte mich an diesen Gedanken. Halef gegenüber benahm ich mich fröhlich und zuversichtlich. In meinem Herzen klaffte ein schwarzes Loch. Rebekka …! Ich hatte nicht geglaubt, dass meine Gefühle für sie so tief gingen. So verging der fünfte Tag, der sechste. Wir erreichten das Meer und folgten der
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