Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
mich fühlte.
Der Morgen brach an, als ich das Dorf erreichte. Am Strand lag Halef Omar noch immer an die Mauer gelehnt. Ich ließ mich neben ihm auf den Boden sinken. „Was macht Eure Verletzung?“, fragte ich ihn. Der Schakal saß da und starrte aufs Meer hinaus. Noch immer blies der Sturm über das Land und Regen verschleierte die Sicht. Starrte er noch immer oder schon wieder?
„Danke, es heilt“, antwortete Halef. „Ihr seid unverletzt?“ Ich nickte. „Höllisch gezerrt, aber unverwundet. Ich … hatte meine Grenze erreicht.“ Ich erzählte Halef Omar mit kurzen Worten, was mir widerfahren war, bis zu dem Augenblick, als ich den Kopf des Ungeheuers losließ, nachdem ich ihm den Bolzen ins Auge gestochen hatte. „Ihr wisst also nicht, ob der Drache besiegt worden ist … oder Eure Dame Rebekka?“ Ich seufzte. „So ist es. Ich sah, dass sie noch auf den Bolzen einschlug, der in der Haut des Drachen steckte. Dann fiel ich und der Drache verschwand in dem wirbelnden Grau, das Ihr dort seht.“ Ich machte eine Geste in Richtung der See.
„Dann können wir nur hoffen, dass die Dame Rebekka es geschafft hat, wo wir scheiterten.“ brummte Halef. „Nun“, erwiderte ich, „Ich für mein Teil hätte gern mehr getan … Aua ...“ Ich hatte mich nach vorn gebeugt, was mein Rücken mit einem ziehenden Schmerz quittierte. Halef entblößte seine Zähne. Es sah gefährlich aus, aber ich wusste, dass das das Äquivalent zu einem Lächeln war. „Nehmt einen Schluck, dann wird es vorbei sein. Ihr wisst noch? Hassans Blut? Die Heilkräfte?“ „Wahrscheinlich habt Ihr recht“, sagte ich. „Außerdem kann ich nicht so bleiben, wie ich bin!“ Ich quälte mich hoch und ging die paar Schritte zu der Stelle, an der ich die Flasche hatte liegen lassen. Ein Tropfen genügte. Die nun schon bekannte Übelkeit überkam mich, ein kurzes Aufscheinen von Schwarz. Ich war wieder ich selbst und der Schmerz war verflogen.
Ein leichtes Gefühl von Übelkeit blieb als Einziges zurück. Dafür biss mir die Kälte in die Haut. Ich sammelte meine fortgeworfenen Sachen ein und zog sie, nass wie sie waren, über. Der Regen fiel wie Bindfäden vom Himmel, aber der Sturm schien sich langsam zu legen. Ich überlegte kurz, ob das mit dem Tod des Drachen zu tun haben könnte. Verrückte Idee! Das hätte ja bedeutet, dass der Drache schon vorher auf das Wetter Einfluss genommen hatte, denn das Wetter war schon seit Tagen furchtbar gewesen. Ich konnte kaum glauben, dass wir am Schwarzen Meer standen. Die Ostsee konnte genauso aussehen.
„Halef, es hat keinen Sinn, hier im Regen zu hocken. Ihr könnt ebenso gut im Trockenen heilen, nehme ich an.“ Der Schakal stieß ein Geräusch wie ein leises Bellen aus. „Wenn Ihr mir hochhelfen könntet?“ Ich stützte Halef und wir gingen in das erste Haus, das oben am Hafenrand stand. Die Tür stand offen. In der Stube lagen die Leichen der Bewohner. Ich zog die Toten ins Freie, in den Schuppen hinter dem Haus. Sie alle hatten Bisswunden. Sie würden wiederkommen. Ich trennte allen den Kopf ab. Sicher war sicher. Ich hatte wirklich kein Interesse daran, herauszufinden, ob sie vielleicht doch nicht wiederauferstehen würden.
Im Haus schürte ich das heruntergebrannte Feuer im Ofen wieder an und verschloss die demolierte Tür mit einem Keil, der verhinderte, dass der Wind sie aufdrückte. Der Raum war ausgekühlt und es dauerte eine Weile, bis die Wärme sich überall verbreitet hatte. Langsam begannen meine Kleider zu trocknen. Auch Halefs Fell trocknete und es roch nach feuchtem Hund. Gegen Mittag raffte ich mich auf und durchsuchte den Ort. Der Sturm orgelte nicht mehr so heftig über das Dorf der Toten wie in der letzten Nacht. Ich ging von Haus zu Haus, bis ich alle durchsucht hatte. Wo ich Tote fand, trennte ich ihnen die Köpfe ab und ließ sie liegen, wo sie waren. Wenn der Sturm vorbei war, würden wir gehen und sie würden eine Feuerbestattung erhalten. Ich würde dieses ganze verdammte Dorf niederbrennen!
81. Kapitel
Rebekka schlug die Augen auf und sofort waren die Schmerzen wieder da. Sie stemmte sich hoch und sah sich um. Wald. Die Bäume hatten ihren Sturz gebremst. Sie war sicher, dass sie sich bei ihrer unsanften Landung ein paar Knochen gebrochen hatte, ganz abgesehen von den Wunden, die der Drache ihr beigebracht hatte. Sie strich über ihr Wams und die Hose aus Hirschleder. Die Einstiche waren deutlich zu sehen. Ihre Wunden waren verheilt. Aber wo war ihr Bein? Rebekka
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