Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Wesen, fabelhafte Figur, tolle Uniform und absolute Gelassenheit selbst im Angesicht ihrer freifliegender Möpse. Bei dem letzten Gedanken vergrub sie vor lauter Scham das Gesicht in den Händen.
»Jetzt denk nicht mehr dran, dass Nigel deine Lümmels gesehen hat«, traf Frankie den Nagel auf den Kopf. »Gehen wir uns mit Schokolade vollstopfen.«
Die Fressler-Zwillinge mit ihrem Leuchtturmjungen standen ganz vorn in der langen Schlange, die sich vor dem noch geschlossenen Restaurant gebildet hatte.
»Hoffentlich lassen die uns was nach«, flüsterte Olive. Aber sie musste sich keine Sorgen machen, denn als das Olympia öffnete, blickten sie auf Tische voller Schokoladentorten, Trüffel und schimmernden Schokoladenbrunnen. Fehlten eigentlich nur Willy Wonka und ein paar Oompa Loompas. Es gab eine gigantische Meerjungfrau sowie einen exakten Nachbau des Schiffes aus Schokolade. Die Fressler-Familie verfiel in Ekstase, und sie schleppten jeder zwei gehäufte Teller zu einem Tisch in Reichweite eines Schokoladenbrunnens.
Eric und Irene winkten den vier Frauen. Sie teilten sich einen Teller mit vier winzigen Kuchen und eine Kanne Tee.
»Ach, die Süßen«, sagte Olive. »Die werden mirschrecklich fehlen. Sind sie nicht ein bezauberndes Paar?« Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde ihr bewusst, dass noch nie jemand David und sie ein bezauberndes Paar genannt hatte. An welchem Punkt war in ihrem Leben eigentlich alles schiefgelaufen? Früher einmal hatte David geplant, ihnen ein großes Haus mit einem Schwimmbad zu bauen. Olive war einsam gewesen, als sie ihn kennenlernte, und hatte sich von seinen großen Reden und dem winzigen bisschen Zuneigung verführen lassen. Sie beobachtete, wie Eric seiner Frau den Stuhl hinrückte und sie als Erste vom Kuchen aussuchen ließ. Das allein demonstrierte schon überdeutlich den Unterschied zwischen einer echten Beziehung und dem, was Olive hatte.
Als sie später das Restaurant verließen, abgefüllt mit lauter Leckereien und komplett genudelt, trafen sie auf eine überglückliche Stella. Sie hatte gerade den großen Preis im Bingo gewonnen.
»Ich war aber auch wild entschlossen«, erklärte sie strahlend. »Einige von denen kommen erst am letzten Tag, und die sollten den Preis nicht kriegen. Kommt, stoßt mit mir an, Mädchen.«
Sie tranken Bellini-Cocktails, und Frankie brachte alle zum Kreischen vor Lachen, indem sie die Geschichte mit Vens tückischem Badeanzug zum Besten gab, während die Ärmste kurz den Tisch verließ. Von draußen kamen immer mehr Leute herein, die sich Strickjacken holten. Die Wolken verdichteten sich, und mit jeder Stunde, die verstrich, büßte die Sonne merklich an Kraft ein.
Der Nachmittag rann viel zu schnell dahin. Kinder wurden aus den Pools geholt, weil der Seegang zu stark wurde, und alle Becken wurden mit Sicherheitsnetzenabgesperrt. Überall auf dem Schiff packten Leute oder wuschen noch ein letztes Mal. Auf den Kabinengängen erschienen Koffer, die von der Crew eingesammelt und für den Transport in den Terminal in Southampton bereitgestellt wurden. Die vier Frauen zogen sich zum Abendessen um und gingen auf einen letzten Eiswein hinunter ins Café Parisienne.
Eine seltsam ernste Stimmung legte sich über das Schiff, als sie stumm dasaßen und zusahen, wie sich die Mermaidia England näherte. Sie alle waren wie Schwanenküken, die auf dem Rücken ihrer Mutter sanft nach Hause glitten.
»Habt ihr eure Umschläge für Elvis und Buzz dabei?«, fragte Ven.
»Sind in meiner Handtasche«, antwortete Roz. »Eric meint, wir brauchen den Weinkellnern kein Trinkgeld zu geben, weil sie eine Provision kriegen.«
»Wow, stimmt das?« Frankie staunte. »Na, dann dürfte Angel inzwischen reicher sein als du, Ven.«
»Ich gebe ihr trotzdem was«, sagte Ven. »Sie hat sich glänzend um uns gekümmert. Und Jesus gebe ich morgen früh sein Trinkgeld.«
»Gibst du dem Captain auch etwas?«, fragte Frankie schmunzelnd.
»Ich glaube, der hat heute Morgen schon genug bekommen«, antwortete Ven lachend. Sie wusste allerdings, dass sie feuerrot werden würde, wenn sie Nigel beim Essen wiedersah.
Auf den Gongschlag hin machten sie sich auf den Weg zum Restaurant, wo sie Supremo mit einem breiten Grinsen begrüßte und ihnen einen schönen Abend wünschte.
»Wie soll der schön sein, Supremo?«, fragte Ven. »Es ist unser letztes Dinner.«
»Sie dürfen jederzeit wiederkommen, Madam«, sagte Supremo. Und er hatte recht. Ven könnte sich nie wieder für
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