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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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keinen Tisch eins, da hatte der Kellner recht«, sagte Nigel. »Nach dem, was geschehen war, hielt man es für ein schlechtes Omen, einen Tisch eins zu behalten.«
    Eric nickte eifrig und guckte wie ein Schulkind, das es nicht erwarten konnte, die richtige Antwort herauszuschreien.
    »Wir waren auf der Jungfernfahrt dabei, stimmt’s, Irene?«
    »Ja, waren wir«, bestätigte sie. »Und im Ambrosia-Restaurant, in der ersten Belegung.«
    »Das Paar an Tisch eins war tot, bevor wir Gibraltar erreichten, und das war damals der erste Hafen.«
    »Was für ein Jammer. Sie wollten auf dem Schwarz-Weiß-Ball ihre diamantene Hochzeit feiern, aber die Frau hatte gleich in der ersten Nacht einen Schlaganfall.«
    »Und er bekam einen Herzinfarkt, als man ihm sagte, dass sie gestorben war«, ergänzte Irene.
    »Auf Schiffen ist man abergläubisch«, sagte Eric. »Deshalb gibt es auf den meisten auch kein dreizehntes Deck. Und weil Tisch eins offenbar Pech brachte, hat man ihn in dem Restaurant abgeschafft.«
    Ven war verwirrt. »Wie hießen die beiden?«
    »Keine Ahnung«, sagte Eric. »Aber irgendwo findet man bestimmt noch etwas über die Sache. Vielleicht im Internet.«
    »Da hat dir jemand einen Bären aufgebunden, Mädchen.« Royston grinste. »Entweder das, oder du hast mit Geistern geredet.«
    »Ich glaube nicht an Geister«, entgegnete Ven und erschauderte. Schnell nahm sie einen Löffel von ihrem Eis.
    Die Schiffsfotografen kamen und verkündeten, dass sie Tischaufnahmen machen wollten.
    »Oh ja, wir wollen auf jeden Fall ein Bild!«, entschied Royston für sie alle. Die vier Freundinnen sollten sich mit Nigel in der Mitte, der einen Arm um Ven und einen um Olive legte, hinter den beiden Paaren aufstellen. Bald würde das alles sein, was sie noch von ihm hatte, dachte Ven: Die Erinnerung an dieses Gefühl, das Foto und zwei Taschentücher, von denen sie wiederholt beteuerte, dass sie sie ihm zurückgeben würde. Jetzt reiß dich verdammt nochmal zusammen , schalt ihre innere Stimme sie. Was hast du für einen Grund herumzujaulen? Du bist auf einem Kreuzfahrtschiff und hast ein paar Millionen auf der Bank! Ein kleiner Trost war, dass sich die posierende Gruppe nicht sofort wieder auflöste. Nigels Arm blieb Sekunden länger um sie geschlungen als um Olive, und es fühlte sich noch viel länger an. Gott, du bist eine Sadistin, alles dauernd zu analysieren, Ven Smith!
    Beim Kaffee fragte Royston: »Essen Sie morgen Abend mit uns, Captain?« Ven hielt die Luft an.
    »Das hoffe ich sehr«, antwortete Nigel. »Ich kann natürlich nie sicher zusagen, weil ich mich ja danach richten muss, ob ich auf der Brücke gebraucht werde.«
    »Natürlich, aber es wäre ein Jammer, Sie am letzten Abend nicht zu sehen«, sagte Irene.
    »Und was für einer, nicht, Mädels?«, bestätigte Royston mit einem sehr deutlichen Zwinkern in Vens Richtung. Er hatte etwas von einem peinlichen Onkel, der wild entschlossen war, sie im Sekundentakt zum Erröten zu bringen.
    Nigel stand auf. »Nun, ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend. Wie ich höre, soll die Show im Broadway heute sehr gut sein.«
    »Ist sie das nicht immer?«, sagte Royston. »Dieserkleine schwule Tänzer ist ein echter Hit. Dem könnte ich stundenlang zugucken.«
    »Du kannst doch nicht ›kleiner schwuler Tänzer‹ sagen!«, quiekte Stella. »Du weißt ja gar nicht, ob er schwul ist.«
    »Ach, jetzt hör aber auf, so wie der auf der Bühne rumhüpft. Neben dem sieht ja jede Tunte wie Bruce Willis aus.«
    Alle lachten, sogar Nigel, auch wenn er sichtlich bemüht war, es nicht zu tun. Royston war auf liebenswerte Weise schrill, sowohl was seine Kleidung anging, als auch in seinen Äußerungen. Vor allem Ven war jetzt schon überzeugt, dass er ihr fehlen würde   – trotz seiner plumpen Kuppelversuche.
    »Hey, du.« Frankie stupste Ven an, die Nigel hinterher sah. Ihre Freundin hatte es schlimm erwischt, und leider konnte Frankie es heute nicht mehr so machen wie früher, als sie noch jung gewesen waren. Damals war Frankie einfach auf den fraglichen Jungen zumarschiert und hatte ihm schnörkellos mitgeteilt: »Meine Freundin mag dich«, womit die Sache ins Rollen kam. Doch kein Geld der Welt konnte ihnen die Vergangenheit zurückholen.
    Der Tisch ging geschlossen nach unten ins Theater, um die Show zu sehen, ein der West Side Story nachempfundenes Spektakel. Wie es die Schauspieler schafften, sich zwischen den Szenen in solcher Windeseile umzuziehen, war allen schleierhaft.

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