Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Was ist denn daran verkehrt?«
»Dann habe ich die Wahl zwischen gebratenem Reis, Korma oder Spaghetti Bolognese? Was sind unsere Träume doch geschrumpft über die Jahre«, sagte Ven lachend. »Wisst ihr noch, wie wir in der Schule geplant haben, dass wir an meinem Vierzigsten alle zusammen eine Kreuzfahrt machen?«
»Ja, na ja, da waren wir jung und blöd«, antwortete Roz. »Vielleicht erinnerst du dich auch noch, dass ich damals dachte, ich wäre heute die persönliche Assistentin eines reichen Geschäftsmannes und würde in Privatjets durch die Weltgeschichte gurken. Stattdessen schufte ich für eine alte Kuh in einer langweiligen Bank.« Jeder wusste, dass Roz ihren Verwaltungsjob in der städtischen Bank hasste und ihre mürrische, verknitterte Vorgesetzte, Mrs. Hutchinson, sogar noch mehr.
»Ja, und wir waren alle überzeugt, dass wir mit Mitte zwanzig Multimillionärinnen wären«, ergänzte Olive. Ach, hätte sie doch all jene Träume fest in ihrem Herzen bewahrt wie Knospen, die jederzeit bereit sind, zu riesigen Blumen zu erblühen! Einen einzigen hatte sie sich erfüllt, den Sommer auf einer griechischen Insel, während die anderen elend verkümmert waren. »Gott, das kommt mir vor, als wäre es ewig her. Wir vier lagen in unseren grau-roten Uniformen im Gras und guckten uns die Wolken an.«
Sie merkte, dass Roz wütend wurde, weil Olive von »wir vier« sprach. Aber ganz gleich wie sehr sie die Geschichte verdrehen und sie zu einem Dreiergespann umdeuten wollte, für Olive und Ven blieben sie immer ein Quartett. Die fabelhaften Vier .
»Würdest du denn eine Kreuzfahrt machen wollen, wenn du könntest?«, fragte Ven.
»Klar würde ich«, antwortete Roz schulterzuckend. »Übrigens habe ich gerade fünf Riesen dabei. Ich könnte gleich bei Thomas Cook reinschauen und buchen.«
»Aber wenn du fünftausend übrig hast …«
»Würde ich mir ein neues Bad gönnen«, fiel Roz ihr ins Wort. »Hab ich aber nicht, also vergessen wir das.«
»Ich würde liebend gern eine Kreuzfahrt machen«, seufzte Olive. »Ich bin seit zwanzig Jahren nicht mehr verreist.« Sie dachte an den Sommer zurück, als sie in einem Meer so blau wie Paul Newmans Augen geschwommen war, Oliven geerntet und sonnengereifte Früchte gegessen hatte.
»Tja, wir sind eben nicht mehr vierzehn und haben den Kopf voller dämlicher Träume«, konstatierte Roz in dem verbitterten Ton, an den sich die anderen beiden eigentlich schon gewöhnt hatten. Trotzdem traf er sie jetzt wie eine kalte Dusche.
Schließlich brach Olive das Schweigen. »Wie wäre es mit einer Überraschungsparty?«, schlug sie vor, worauf Ven lachte.
Roz verdrehte die Augen. »Tolle Idee, Olive. Aber Ven darf nichts davon erfahren, sonst ist der Effekt weg!«
»Nein danke, ich möchte keine Überraschungsparty«, sagte Ven. »Ich habe schon eine Idee, was ich gerne machen möchte, doch dazu muss ich erst noch ein paar Sachen organisieren.«
»Was?«, fragte Olive. In diesem Moment kam ihre Bestellung, so dass sie für eine Minute unterbrachen.
»Wartet’s ab«, sagte Ven und tippte sich an die Nase, bevor sie ihre Kuchengabel aufnahm. »Ich sage nur, dass ich auf italienisches Essen tippe.«
2. Kapitel
Auf der Busfahrt nach Hause hing Olive immer noch der Erinnerung an den Tag nach, als sie alle zusammen auf dem Schulrasen in der Sonne gelegen hatten, Frankie zum Himmel hinauf zeigte und sagte: »Die sieht wie ein Schiff aus.«
Und Roz hatte gesagt, sie wäre lieber weit weg auf einem Schiff statt in einer Doppelstunde bei Mr. Metaxas. Bei dem Gedanken daran, wie sie jedes Mal dahinschmolz, wenn er ihren Namen aussprach, musste Olive schmunzeln. Aus seinem Mund hörte sich »Olive« so erotisch an. Fünf Jahre später sollte sie dann einen Mann mit dem gleichen griechischen Akzent kennenlernen, der nicht bloß ihren Namen wundervoll und köstlich wie in Früchten gefangenen Sonnenschein klingen ließ, sondern ihr das Gefühl gab, schön und begehrenswert zu sein.
Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter, während sie daran dachte, wie sie mit vierzehn gewesen war. Damals war ihr jeder über vierundzwanzig steinalt vorgekommen. Und Vierzigjährige taugten bestenfalls noch dazu, auf Liegestühlen zu sitzen und in Marmeladenkochbüchern zu blättern, sofern ihr grauer Star das noch zuließ. Olives jüngeres Ich war gar nicht auf die Idee gekommen, dass ihr Verstand mit neununddreißig kein bisschen gealtert war, selbst wenn man das von ihrem Körper durchaus
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