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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Charterbescheinigung widerrufen – auf Ihre Kosten«, sagte der Mann leise und sah uns dabei nacheinander an, als wären wir Grundschüler, die mit Pornovideos auf den Handys erwischt worden waren. Henner nickte heftig und wiederholte sein Tut-uns-leid-Mantra.
    »Hey, das war ein Versehen«, erklärte Mark. »Ist doch nichts kaputtgegangen.« Er sah kurz zur feuchten Frau und hob die Hände. »Wird nicht wieder vorkommen.«
    Der Mann schnaufte. »Immer als Erstes Landstrom trennen. Schreibt euch das hinter die Ohren.«
    »Landstrom trennen«, wiederholte Mark und stellte eine Landstromabtrennung pantomimisch dar. »Aye, Sir.«
    Der Einweiser setzte zu einer Erwiderung an, ließ es aber.
    »Sie können sich auf uns verlassen«, sagte Henner – viel unterwürfiger, als nötig gewesen wäre. Ich verspürte den abgedrehten Wunsch, ihm über den Kopf zu streicheln.
    »Ja, das fürchte ich auch«, antwortete der Mann und ging kopfschüttelnd davon.
    Also trennten wir den Landstrom ab, vergaßen dieses Mal nur die rechte Heckleine, was aber niemand bemerkte, denn das Schiff an steuerbord, das wir leicht rammten, war nichtbemannt, und alle anderen Bootstouristen waren entweder damit beschäftigt, Vorräte zu verstauen oder der nassen Dame zu helfen. Keine fünf Minuten später hielten wir auf eine Ausfahrt aus dem See zu, die da irgendwo sein musste, die man aber nicht sehen konnte, obwohl das Seeende – oder wie man das in der Schiffersprache nannte – nahte.
    »Die grünen Bojen. Links oder rechts?«, fragte Mark, der von Henner das Steuer übernommen hatte, denn der Pfarrer war pinkeln – vermutlich war er einer, dem Stress auf die Blase ging. Dann wies Mark auf die Karte, die über dem Steuer klemmte. »Und was bedeuten diese Zahlen?«
    Die Antworten lauteten: rechts. Und: Wassertiefe. Vom Unterdeck kamen Fluchgeräusche, als wir Letzteres feststellten – zum Glück donnerte Mark wieselflink den Rückwärtsgang rein, nachdem ein seltsames Schleifen von vorne zu hören war und das Schiff abrupt stoppte – und Ersteres beantwortete sich dadurch indirekt. Von hinten erklang aufgeregtes Hupen, kurz darauf zog ein kleines Motorboot an uns vorbei, dessen Fahrer sich intensiv gegen die Stirn tippte. Mark grüßte ihn fröhlich und folgte dann seiner Spur. So fanden auch wir die Ausfahrt – beziehungsweise die Einfahrt in ein pittoreskes Stückchen Fluss, ziemlich eng nach meinem Gefühl, bis dicht ans befestigte Ufer von Bäumen umgeben.
    »Schön hier«, sagte Mark lachend, während Henner wieder auftauchte und im Oberschenkelbereich an seiner nassen Hose herumwischte, wobei er originellerweise »gottverdammte Scheiße« sagte. Ich dachte mir das »Amen«.

    Wir befuhren schweigend das Stück Havel, das hier Steinhavel hieß, und lauschten beeindruckt dem leisen Tuckern des Diesels und dem Gluckern des dunkelgrünen Wassers, auf dem das reflektierte Sonnenlicht glitzerte, wenn es durch den dichten, intensiv duftenden Laubwald beiderseits des Ufers brach.
    Das Flüsschen wand sich zweimal und führte uns nach einer knappen, sehr stillen Viertelstunde zur ersten Schleuse unseres Lebens. Sie kündigte sich durch ein Schild an, das der Pfarrer nach einem Blick auf die laminierte Karte, die neben dem Steuerstand hing, als »Anhalten!«-Gebot identifizierte. Kurz darauf tauchte rechts eine Phalanx von dicken Holzpfählen auf, die als »Sportboot-Wartestelle« markiert waren – und wir manövrierten wohl ein Sportboot, wenn es auch eher wie ein Ausflugsdampfer oder leicht verkleinerter Lastkahn aussah. Unglücklicherweise befand sich die Wartestelle ausgerechnet in einer Rechtskurve, und im vorderen Bereich lagen bereits zwei kürzere Jachten, dazwischen außerdem das kleine Motorboot des Vogelzeigers.
    »Wir müssen wohl anlegen«, zwitscherte Mark, noch immer am Steuer. »Das Signal ist rot.«
    »Ist rot«, wiederholte Henner, der sich das fitzelige Bordfernglas – eher ein Opernglas – vor die Augen hielt und hektisch zu justieren versuchte.
    »Ist rot«, erklärte ich dann auch, damit es einstimmig wäre. Die Ampel war schließlich gut und auch ohne jedes Fernglas zu sehen, obwohl ein paar Bäume drum herumstanden.
    »Dann halt doch auch an!«, schrie Henner, denn Mark machte keine Anstalten, Fahrt rauszunehmen.
    »Aye«, sagte dieser und prügelte den Rückwärtsgang rein. Kurz darauf lag die Dahme quer im Fluss, das Heck wies zur Wartestelle, die wir inzwischen fast vollständig passiert hatten, immerhin war bis zur

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