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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Lebensunfähig nicht mehr mit-, aber auch nicht ohne einander, hofften die drei Rosens insgeheim darauf, dass es ewig so bliebe. Nur das Kokain war vor ein paar Jahren dazugekommen, wovon Renate und Helmut nichts wussten, aber das Haus war längst bezahlt, und die Renten reichten auch. An der innigen Liebe aber würde es sowieso nichts ändern.»Du bist über vierzig?«, fragte ich erstaunt, als Mark geendet hatte.
    »Gute Pflege«, sagte Simon und grinste, aber über die Erschütterung, die in seinem Gesicht stand, täuschte das nicht hinweg.
    »Du bist ja noch ärmer dran als ich«, fasste Henner zusammen.
    »Inwiefern?«, fragte Mark, offenbar erstaunt.
    »Heilige Scheiße«, sagte ich und sparte mir den ziemlich langen Rest der Anmerkung. »Was machst du, wenn das nicht mehr funktioniert? Wenn deine Eltern ins Heim müssen?«
    Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Mir eine Wohnung in der Nähe suchen?«
    »Sie werden irgendwann sterben«, flüsterte Simon.
    Mark sah ihn an, als hätte er soeben unwiderlegbar bewiesen, dass es den Gott nicht gibt, dem er – Mark – sein Leben gewidmet hat.
    »Irgendwann«, wiederholte er nach einer Weile, ebenfalls ziemlich leise. Es war deutlich, dass dieser Termin für ihn bestenfalls fiktiv existierte.
    »Es wäre an der Zeit, erwachsen zu werden«, schlug Henner in Konfirmanden-Betonung vor.
    »Päh«, sagte ich, weil ich nicht anders konnte. »Erwachsen. So ein bescheuertes Wort. Es bedeutet, dass man aufhört zu wachsen, sich also nicht weiterentwickelt. Es gehört abgeschafft.«
    Henner sah mich vorwurfsvoll an. »Du weißt, was ich meine.«
    Ich nickte. »Diese Verantwortungssache. Entscheidungen treffen und dafür einstehen. Das eigene Leben in die Hand nehmen. Dieses Zeug. Bullshit, wenn du mich fragst. Man macht dieselben Fehler wie vorher. Das wird überschätzt. Irgendwann gibt man den Löffel ab, und die Summe unter der Rechnung ist für alle gleich: null.«
    »Fatalistisch drauf heute, oder?«, fragte Simon. »Hast du die Kleine doch noch in die Wüste geschickt?« Er grinste, »Dresden 1945« zeigte sich in voller Pracht, aber ich verweigerte ihm jede Reaktion, tastete jedoch mit einer Hand nach dem Zettel in meiner Hosentasche.
    Henner sah ostentativ auf die Uhr und seufzte dann. »Wir sollten irgendwann mal entscheiden, wo es heute hingeht. Und einen Laden finden, in dem wir unseren Proviant auffrischen können. Ist nur noch Tütensuppe da. Sogar das Obst ist alle.«
    Simon nickte, sprang auf, zündete sich noch in der Bewegung eine neue Fluppe an, hüpfte in den Salon und kehrte mit der Gewässerkarte zurück.
    »Ich will die Müritz sehen«, sagte er. »Wenigstens einen Blick drauf werfen.«
    Während wir die Karte studierten, daddelte Henner mit seinem Tablet herum. »Der Ort Strasen an der gleichnamigen Schleuse ist ein bisschen größer als Priepert. Wahrscheinlich gibt es da irgendwo einen Laden, wo wir das Nötigste kaufen können.«
    »Sind mindestens fünfundzwanzig Kilometer bis zum großen Teich«, sagte Mark nach einer Weile – er hatte die Kilometerpunkte auf der Karte gezählt. »Schleusen nicht mitgerechnet, fünf Stunden Fahrzeit. Sollte zu schaffen sein.«
    Simon richtete den Blick auf den Steg hinter uns.
    »Ich muss mich noch verabschieden«, sagte er. Ich sah in die gleiche Richtung, keine Spur mehr von den dunkelroten Kanus. Der Abschied mitten in der Nacht war seltsam ausgefallen.
    »Wir hätten uns vor drei, vier Jahren treffen sollen«, hatte Anna gesagt und mir mit dem Handrücken über die Wange gestrichen.
    »Oder in drei oder vier«, hatte ich geantwortet.
    »Wie auch immer.« Und zwei Minuten später war sie verschwunden.Das Ablegen gestaltete sich ein wenig kompliziert, weil Karola darauf bestand, uns mindestens bis zur Schleuse Strasen – drei Kilometer entfernt – zu begleiten, weshalb das Fünf-PS-Boot, mit dem die Albaner gekentert waren, an der Tusse vertäut und bis dorthin mitgeschleppt werden musste. Ich übernahm das Steuer und hatte dadurch wenigstens vorübergehend das Gefühl, etwas Zielführendes zu tun, Henner stand neben mir, nachdem er das Dach geöffnet hatte. Der Nieselregen hatte aufgehört, Temperatur und Luftfeuchtigkeit lagen im Grenzbereich, weshalb der mückenstich-übersäte Schädel des Pfarrers vom Schweiß glänzte, und der Himmel sah zwar danach aus, als würde es sehr bald eine ziemliche Riesensauerei geben, aber noch hielten sich sämtliche Bedrohungen zurück. Henner schwieg, sah mich aber im

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