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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Hugh G. – einfach hinreißend.
    »Ich glaube, ich bin verliebt«, sagte er, als Karola, heftig winkend, in der Albanerschaluppe außer Sicht geriet. Wir sahen ihn an; er meinte zweifelsohne, was er gesagt hatte.
    »Feinkörnig«, kommentierte Mark. Henner und ich nickten freundlich. Ich blickte auf die Uhr. Kurz vor zwölf. Immer noch knapp fünfundzwanzig Kilometer.
    Die drei älteren Männer, die an der Tusse festgemacht hatten,waren allerdings nach einer Stunde des Wartens mühselig über unser Schiff geklettert, um irgendwo, wie einer von ihnen in schwerstem Sächsisch erklärte, een baar biere dringen zu gehn, no . Danach hatten wir die Holzbootbesatzung, aber auch das knapp sechs Quadratmeter Deckfläche bietende Wasserfahrzeug selbst schlicht vergessen, wodurch wir, auf die Steuerbordseite und das Geschehen vor uns konzentriert, frisch-fröhlich mit seitlicher Beiladung auf die Schleusenkammer zuhielten, als sich die Tore für uns öffneten. Hinter uns, an der Wartestelle, herrschte lautstarker Betrieb, weil zwei Jachten mit Party-People eingetroffen waren, die sich ein konservenmusikalisches Gefecht mit einer Gruppe Jugendlicher lieferten, die die Wiese am rechten Ufer mit dem aktuellen Analogon eines Ghettoblasters beschallten. Wer auch immer von dort aus versuchte, uns per Signal oder Ruf zu warnen, kam gegen Lady Gaga und irgendwelche MCs nicht an. Der Schleusenwärter seinerseits war an der Ausfahrtseite der Schleuse zugange und half dort zwei Frauen, ihr Schiff festzumachen – wenn ich mich nicht irrte, handelte es sich um die beiden Ladys, die nach dem erfolglosen Versuch, den Bootsurlaub anzutreten, beschlossen hatten, ihn eher stationär zu verbringen. Jedenfalls konnte er uns nicht oder nur teilweise sehen. Die zuschauerbevölkerte Straßenbrücke lag jenseits der Schleuse. Am linken Ufer war kein Mensch, dort gab es nur ein paar vereinzelte Bäume und weitläufige Wiesen.
    Mit lässiger Routine steuerte ich uns also als letztes Boot in die Kammer, zwar durchaus bemerkend, dass unser Kahn etwas stärker als gewöhnlich nach links zog, was ich aber dem lädierten Ruder zuschrieb; das Bug der Tusse passierte zuerst die Begrenzungspfähle und dann das Tor selbst, noch mit vergleichsweise solider Geschwindigkeit, denn ich hatte das Gefühl, das Schiff lässig – vielleicht sogar feinkörnig – zu beherrschen, war kurz davor, heftig aufzustoppen, um uns sauber und präzise hinter einer flachen Metalljacht zu platzieren,deren Besatzung dem Schleusenwärter zusah. Aber es war nicht der im Rückwärtsgang laufende Motor, der die Tusse schließlich zum Stillstand brachte, sondern etwas, das von einem kräftigen, unheilvollen Knirschen begleitet wurde, das von achtern backbord zu hören war. Das Schiff blieb keineswegs abrupt stehen, sondern verlangsamte sich nur stark, als wolle es nicht wahrhaben, dass es nicht weiterging, wobei es nach links drehte, dann erklangen ein bösartiges Reißen und ein metallischer Knall, woraufhin das Schiff einen befreiten kurzen Satz machte und gegen die linke Schleusenwand donnerte, dazu ertönte aus den Schränken im Salon vielstimmiges Geklirre. Die tolle Geräuschkulisse hatte mich vergessen lassen, doch noch den Rückwärtsgang einzulegen, was ich jetzt nachholte, während die drei anderen Besatzungsmitglieder hastig zum Heck kletterten, um zu sehen, was dort geschehen war.

    Nun wohl.

    Wir machten abermals an der Wartestelle fest, ungefähr zehn Minuten später, immerhin ganz vorne – wie auf Befehl rückten die Bootsführer ihre dort liegenden Schiffe zusammen, um den Havaristen Platz zu machen. Die drei alten Sachsen warteten bereits auf uns, konsterniert auf das starrend, was von ihrem Boot übriggeblieben war – und das war nicht besonders viel.
    » Nu gugge «, sagte Simon laut und zündete sich breit grinsend eine Zigarette an.
    Soweit das zu beurteilen war, fehlte der Tusse zwar ein gut meterlanges Stück der backbordseitigen Heckreling, und kurz über der Wasserlinie waren ein paar heftige Schrammen und Dellen zu sehen, die eine hübsche, beinahe harmonische Anordnung mit den Neustrelitz-Schäden vom Bug bildeten, aber ansonsten schien der Topf auch diesen Versuch, ihn ernsthaftzu verletzen, überwiegend ignoriert zu haben. Ganz anders sah es da mit dem Huck-Finn-Floß der spätherbstlichen Herren aus. Das aufgebaute Häuschen stand windschief, das Plastikdach wies einen langen, gezackten Riss auf, im Bugbereich waren einige Planken zersplittert, zwei der

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