Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
Sekundenrhythmus prüfend von der Seite an, bis ich ihm ein energisches » Was? « entgegenschmetterte, das er mit einem wissenden Lächeln und einem Abgang in Richtung Heckterrasse quittierte, wo er sein Telefon herauszog und mit Wischgesten malträtierte.
Simon und Karola saßen am Bug, ineinander verknotet wie von blutigen Laien verbundene Tampen , Mark lümmelte am Salontisch herum und schien mit der Idee zu kämpfen, am helllichten Tag eine Linie zu ziehen. Nach kurzer Zeit erreichten wir die Seeausfahrt; wenig später geriet der Warteplatz für die Schleuse Strasen in Sicht, eine langgezogene Pfahlanordnung, dicht bepackt mit Kähnen und Booten aller Art, mindestens drei Dutzend insgesamt. Am rechten Ufer gab es hübschen Baumbewuchs, links Wiesen. Ich drückte den Gashebel durch, um im schmalen Fahrwasser eines der rustikalen kleinen Holzhausboote zu überholen, das vor uns schlingernd auf die Wartestelle zuhielt, wodurch ich den letzten freien Pfahl für uns sicherte, während die drei älteren Männer, die mit dem Außenborder ihres Spielzeugs kämpften, hinter uns im freien Gewässer warten mussten.
»Arschloch!«, rief Simon grinsend von vorne, gleich danach steckte er seine Zunge zurück in Karolas Mund.
»Macht an unserer Backbordseite fest«, schlug ich den Holzhausbootfahrern vor, die unisono freundlich nickten und einfach eine Leine mit einem unserer verbliebenen Fender verknoteten, danach widmeten sie sich einem Skatspiel auf dem Dach des Floßes.
Henner telefonierte energisch, wobei er mir gelegentlich seltsame Blicke zuwarf, und weil Simon gleichfalls okkupiert war, schnappte ich mir den wirr dreinschauenden Mark und kletterte mit ihm die Böschung hoch, um nach einem Lebensmittelladen zu suchen.
»Meinst du auch, dass ich ein Problem habe?«, fragte er etwas kindisch, als wir einen Trampelpfad erreichten und ein Schild ausmachten, das einen Laden in Gehweite ankündigte.
»Probleme hat jeder «, antwortete ich, als wäre ich Autor esoterischer Ratgeberbücher. »Man kann sich auf praktisch nichts vorbereiten – das Leben ist nicht nur voller Überraschungen, sondern insgesamt eine. Du wirst das schon hinkriegen. Aber an den Gedanken, etwas zu ändern, solltest du dich langsam gewöhnen. Und mit der Scheißkokserei aufhören.«
Er murmelte etwas, was ich – bis auf die Wendung »nicht abhängig« – nicht verstand. Kurz darauf standen wir vor einem winzigen Laden, der innen noch winziger war, dafür stand die Luft, als wäre zu allem Überfluss auch noch die Heizung eingeschaltet. Es gab zwei Sorten abgepackte Wurst, nämlich Bier wurst und Bier schinken , dafür frischen Fisch in großer Auswahl, eine Sorte Nudeln und im »Frischback«-Regal drei kastenförmige Vollkornbrote, die von weitem nicht eben nach »Frischback« aussahen. Immerhin wurden wir vor die Wahl gestellt, die zwei verfügbaren Kisten Wernesgrüner oder die drei Kisten Radeberger (eine davon halbleer) zu kaufen, aber es gab außerdem – gegen Pfand – einen Bollerwagen,also sammelten wir alle fünf Kisten ein und stapelten ansonsten so gut wie alles, was nicht niet- und nagelfest war, auf dem schmalen Verkaufstresen. Kurz vor Abschluss der gesamten Transaktion präsentierte Mark triumphierend eine etwas verstaubte Flasche Ouzo, die auch ins Kaufsortiment wanderte, während ich mich fragte, ob es für die Anisspirituose ein Mindesthaltbarkeitsdatum gab – gut möglich, dass diese Flasche noch aus der Vorwendezeit stammte; jedenfalls war sie in D-Mark ausgepreist, was zu einer originellen Umrechnungsorgie führte. Glücklicherweise akzeptierte man in diesem Außenposten des Konsums EC-Karten, so dass wir eine Viertelstunde später mit Proviant für mindestens eine weitere Woche neben der Tusse standen und minutenlang Kisten, Tüten und Päckchen an Henner reichten, der fast jedes Stück mit hochgezogenen Augenbrauen kommentierte, bis er die vier Tüten Obst (Äpfel, Tomaten, Gurken, Birnen) in den Händen hielt und mir anerkennend zuzwinkerte. Mark schnappte sich anschließend den Bollerwagen, um ihn zurückzubringen, und als er wieder beim Boot eintraf, rieb er sich intensiv die Nasenwurzel, während seine Augen tränten.
Es dauerte fast anderthalb Stunden, bis sich abzeichnete, dass wir demnächst in die Schleuse würden einfahren können. Simon und Karola lieferten auf der Wiese neben dem Warteplatz eine Abschiedsszene, für die jedes Hollywood-Team mindestens vierzig Takes benötigt hätte, sogar mit Julia R. und
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