Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
das.«
Zotzensee, Mössensee, Vilzsee, Schleuse Diemitz (fünfzig Minuten), Labussee – wir droschen mit Höchstgeschwindigkeit über die Gewässer, alle Zeiger auf Anschlag, räumten Schränke auf, füllten Mülltüten (größtenteils mit überflüssigem Proviant), stellten Rucksäcke, Reisetaschen und Koffer bereit. Vierzig Minuten an der Schleuse Canow, danach Canower See, Kleiner Pälitzsee, Großer Pälitzsee. Ein halbes Dutzend Schiffe im freien Gewässer vor der Einfahrt zur Schleuse Strasen, der Warteplatz dahinter voll bis zum Anschlag. Simon kochte einen Riesentopf Spaghetti mit Fantasiesoße, mit tomatenverschmierten Mündern grüßten wir den Schleusenwärter, der uns aber nicht erkannte und nur müde nickte. Als wir den Ellbogensee erreichten, ging es auf halb sieben zu. Es kam mir vor, als wären wir gerade erst auf der Müritz gewesen.
»Wir müssen in Priepert halten«, sagte Simon bestimmt. »Wir müssen .«
»Wir haben keine Zeit«, sagte Henner, Schweiß auf der Stirn, eine kleine Seenlandschaft rund um die Mückenstichhügel. »Die Schleusen schließen um acht.«
»Das schaffen wir. Nur fünf Minuten.«
Also taten wir auch das; Simon sprang von Bord, noch bevor der Topf neben der Abpumpanlage angelegt hatte, sprintete – schon nach ein paar Schritten laut keuchend – zum Hafenmeistereihäuschen. Wir räumten weiter. Fünf Minuten vergingen, zehn, fünfzehn, zwanzig.
»Es sind verdammte neun Kilometer bis zur letzten Schleuse«, stöhnte Henner. »Mindestens eine Stunde.«
Ich wählte Simons Nummer, irgendeine. Aus seiner Kabine antwortete ein Telefon. Mark rannte los. Fünfundzwanzig Minuten, dreißig. Er kehrte zurück, schüttelte schon den Kopf, als er noch zwanzig Meter entfernt war.
»Da ist niemand. Kein Simon, keine Karola. So hieß die doch, oder?«
»Scheiße«, sagte Henner.
Ich sah auf die Gewässerkarte. »Die Schleuse öffnet um sieben, danach sind es nur noch drei Kilometer, also maximal eine halbe Stunde. Wir könnten auch hier übernachten und morgen in aller Frühe losfahren. So gegen sechs.«
»Gegen sechs«, wiederholte Mark. »Das ist sehr lange her, dass ich mal um sechs aufgestanden bin. Wobei … ich glaube, in der Flughafentestzeit musste ich zweimal sogar um fünf aufstehen.«
Nach insgesamt anderthalb Stunden kamen Simon und Karola den Steg entlang, einander innig umarmend. Simon legte den Kopf schief.
»Tut mir leid, ist etwas dazwischengekommen. Aber wir können hier übernachten und morgen in aller Frühe losfahren.«
»Simon«, sagte Henner, die Hände etwas albern gegen die Hüfte gestemmt. »Ich mag dich, aber du bist ein verdammtes Arschloch. Eines, um das herum die Worte äußerst unzuverlässig tätowiert sind.«
»Ich weiß«, sagte Simme, zog Karola zu sich und küsste sie intensiv. »Aber ich arbeite daran. Und ich habe auch gute Neuigkeiten.«
Wir bekamen einen Liegeplatz neben einem Segelboot mit dem Namen Die vier Fragezeichen und enterten abermals die Restaurantterrasse – es war ein bisschen wie Nachhausekommen.
»Also«, sagte ich, während wir das erste Bier schlürften, erfrischend und äußerst delikat nach den Anstrengungen des Tages. »Gute Neuigkeiten.«
Simon sah zu Karolas Kabuff. »Diese Frau … so etwas hatte ich lange nicht mehr. Daraus könnte wirklich etwas werden.«
»Glückwunsch«, raunte Mark, völlig ironiefrei.
»Sie macht das hier allein. Hafenbetrieb, Slipanlage, einekleine Werkstatt mit zwei Angestellten, ausgelastet mit Bootspflege, den ganzen Winter über. Das Restaurant gehört ihr auch, ist aber verpachtet. Ihr Mann hat sie vor drei Jahren verlassen. Sie braucht jemanden. Und sie hat mir angeboten, einzusteigen.«
»Das ist ein bisschen, als würde man die Haare absichtlich in eine Kolonie Kopfläuse stecken, mit Verlaub«, sagte Henner.
»Ich kann mich ändern«, sagte Simon, nickte aber. »Das habe ich schon einmal getan. Mir fehlte bisher nur die Motivation.«
»Es ist schön hier«, sagte ich, etwas hilflos.
»In Neustrelitz gibt es ein ambitioniertes Laientheater«, fuhr Simon fort. »Karola kennt einen Zahnarzt in Waren, der mich auf Kredit restaurieren würde. Und«, er senkte die Stimme, »sie würde mir etwas Geld leihen. Für Armend. Zehntausend.«
»Fehlen noch dreißig«, sagte ich.
»Zehn von mir«, erklärte Henner, als hätte er auf diesen Moment gewartet, und atmete dabei lautstark durch die Nase aus. »Vielleicht fünfzehn.« Er seufzte. »Ach, klar. Fünfzehn.«
Ich rechnete
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