Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
dem Seerand näherte.
»Irgendwer will nicht, dass wir heimfahren!«, brüllte Simon grinsend, während die Tusse mit leichter Schräglage durch die Wellen knallte.
»Feinkörnig!«, krähte Mark zurück.
Als wir den Hafen schließlich erreichten, schlugen vier Versuche fehl, aufzustoppen und mit dem Heck auf einen freien Platz zu zielen, da uns der stürmische Wind immer wieder weit davontrieb. Die Schiffe, die bereits festgemacht hatten, polterten und donnerten aneinander. Beim fünften Versuch rechnete Simon, der das Steuer übernommen hatte, den Wind ein und brachte uns endlich wenigstens in die Nähe des Anlegers.Wir hantierten mit Bootshaken und mehrfach erfolglos in Richtung Land geworfenen Leinen, bis es plötzlich eine kurze Flaute gab und wir festmachen konnten. Danach setzte der Wind sofort wieder in unverminderter Stärke ein.
Im Heimathafen herrschte bereits intensiver Betrieb. Etwa ein Dutzend Bootsbesatzungen waren dabei, Gepäck, Müll und Proviantreste von Bord zu schaffen; um die Köpfe der Touristen flatterten deren Haare im Wind, wodurch die Szenerie etwas Endzeitmäßiges hatte, an Bilder aus wirbelwindgeschädigten Gebieten in den USA erinnerte. Wir holten die beiden letzten verfügbaren Bollerwagen, fuhren viermal, jeweils zu zweit die Wagen sichernd, um den Discovery zu beladen. Die Karre sah ziemlich mitgenommen aus, staubig und verklebt, als wäre jemand in Henners Abwesenheit heimlich mit dem Ding im Gelände gewesen. Wir arbeiteten schweigend, kehrten dann zum wackelnden Schiff zurück, um den Augenblick der Wahrheit abzuwarten: die Rückgabe. Von den offensichtlichen Schäden abgesehen, hatten wir den Geschirrbestand auf knapp ein Drittel reduziert (aktuelle Sturmschäden nicht mitgerechnet), außerdem hatten wir vergessen, Simons Dieseltuning rückgängig zu machen, und im Boot stank es nach Zigarettenqualm wie in einer dicht besetzten Neuköllner 24-Stunden-Eckkneipe. Henner setzte sich an den Tisch und schrieb mühevoll – der Kahn schwankte ziemlich – eine Schadensliste, während wir anderen draußen auf der Terrasse saßen, uns die Haare aus dem Gesicht wischten und den Cheftechniker beobachteten, der, leicht geneigt im Wind stehend, nacheinander mehrere Besatzungen verabschiedete – äußerst kurz, knapp und sehr leidenschaftslos, es dauerte jeweils keine halbe Minute. Noch zwei Boote, noch eines. Dann stand er vor uns, genau in dem Augenblick, als der Wind wieder abflaute. Henner kam ans Heck, die krakelige Liste in der Hand.
»Da sind ein paar Sachen«, sagte er, etwas zu laut, als würde es immer noch tosen.
Der Techniker betrachtete das Boot. Die beschädigte Heckreling war nicht zu übersehen, das Fehlen eines Gutteils der Fender ebenso. Er kniff die Augen zusammen.
»Fährt das Ding noch?«, fragte er.
»Durchaus«, sagte ich.
»Na. Ihr habt das Ruspi , oder?«
Ich versuchte, mich zu erinnern. Ach ja, das Rundum-sorglos-Paket. Ich nickte. »Ja, Ruspi.«
»Dann ist alles fein. Ab durch die Mitte.«
» Was ?«, fragte Jan-Hendrik konsterniert. Er hob den Zettel in die kaum noch bewegte Luft, fast etwas anklagend. »Wir …«
»Es schwimmt, der Motor läuft«, unterbrach ihn der Chartermensch. »Alles andere ist unsere Sache. Das bisschen Kleinkram kostet uns eine Stunde in der Werft, die ist da vorne.« Er wies zur Ausfahrt in Richtung Fürstenberg. »Und natürlich rechnen wir mit der Versicherung mehr als eine Stunde ab.« Er grinste lahm.
»Das Ruderblatt sollten Sie sich allerdings genauer ansehen«, sagte Simon und bot dem Mann eine Zigarette an, die dieser annahm. »Und die Motordrosselung auch.«
»Machen wir. Und jetzt haut ab, bevor ich es mir anders überlege.«
Wir waren immer noch überrascht, als wir Fürstenberg längst hinter uns gelassen hatten.
»Feinkörnig«, sagte Mark. »Und ich habe gedacht, wir müssen den lädierten Kasten kaufen .«
» Ruspi .« Simon grinste. »Ist wahrscheinlich sogar ein gutes Geschäft für den Charterer.«
Der Nebel hatte sich komplett gelichtet, aber es war weiterhin kühl (behauptete das Außenthermometer des Autos), und jetzt zog tiefhängende, dunstartige Bewölkung auf. Die Sonne war bestenfalls zu erahnen, ein weißgelber, flächigerFleck links von uns, eine Handbreit über dem Horizont. Das blieb auch so ähnlich, bis wir die Stadtgrenze von Berlin erreichten, knapp anderthalb Stunden später.
»Übrigens«, sagte Henner plötzlich und drehte sich kurz zu Mark. »Ich war mit dem Wagen sofort im
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