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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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mit einem Blick auf die Telefone: »Leider kein Empfang hier.«
    Seine Haare, die Unterarme und sein Gesicht waren noch immer farbgesprenkelt, aber er trug hellgrüne Shorts und ein schreiend buntes Hawaiihemd, dazu beigefarbene Stoffturnschuhe. Er ließ mich an einen Häftling denken, den man nach Jahrzehnten entlassen und, weil die Klamotten, mit denen er eingeliefert worden war, längst verrottet waren, mit irgendwas aus der Kleiderkammer ausgestattet hatte. Simon sah zwar in gewisser Weise lässig aus, doch zusammen mit seiner kalkigen Hautfarbe, der strubbeligen Unfrisur und den Farbklecksen ergab sich dennoch ein ziemlich schiefes Bild. Jemand, der Urlaub macht, allerdings überhaupt nicht weiß, wie das eigentlich geht. Hey, entspannen Sie sich! – Spannen verstehe ich, nur was bedeutet die verdammte Vorsilbe?
    »Aber das Fahrrad ist ein Scherz, oder?«, fragte er.
    Von hier aus gesehen rechts vor dem Steuerstand – backbord? – waren drei Fahrradhalterungen auf das neun Meter lange Kabinendach montiert, auf dem wir uns befanden, und im äußerst rechten davon stand ein etwas rostiges rotes Klappfahrrad, auch ziemlich siebzigermäßig. Am Lenker war ein Bastkorb angebracht, dessen Plastikfutter rosa in der Morgensonne glänzte. Das hatten wir mitgemietet, es gehörte quasi zur Ausstattung. Freiwillig würde ich mich mit diesem Vehikel jedoch nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Ich nickte lächelnd.
    »Ist ja auch zu wenig Platz zum Fahrradfahren«, sagte ich, nahm aber an, dass Mark den Stunt ausprobieren würde, wenn man ihn ein bisschen reizte.
    Bei den vielen schwarzen Punkten handelte es sich um kleine tote Fliegen.
    »Schätze, das sind Eintagsfliegen«, sagte Simon. »Sind wohl von unserem Ankerlicht angezogen worden.«
    »Hier müsste man Spinne sein«, erwiderte ich grinsend und dachte dabei wieder an Mark. Als ich von meiner Insektenuntersuchung zu Simon aufsah, hing wie von Zauberhand eine qualmende Fluppe in seinem Mund – aber die Telefone hielt er nach wie vor hoch.
    »Erwartest du einen wichtigen Anruf?«, fragte ich.
    Simon grinste und senkte die Hände. »Eigentlich nicht«, sagte er und schüttelte dabei langsam den Kopf. »Die ganzen Katastrophen passieren auch, ohne dass ich zwischendrin mit jemandem telefoniere.« Er pausierte kurz. »Käffchen?«, fragte er dann.
    Ich nickte. »Ich mache derweil hier sauber.«
    In der Ankerkiste fand ich einen zerdellten Plastikeimer, der mit einem Stück Leine verbunden war, und unter dem Fahrrad klemmte ein Schrubber – neben einer seltsamen Stange mit einer Art Haken aus Kunststoff an einem Ende. Wozu dieses Ding wohl gut war?
    Simon turnte unter Deck, ich holte eimerweise Wasser aus dem Menowsee, spülte damit das Dach, das Vorschiff und die Gänge an den Seiten ab. Irgendwann rief jemand ziemlich verschlafen »Scheiße!« Das geöffnete Seitenfenster, durch das ich etwas Wasser ins Bootsinnere hatte schwappen lassen, gehörte zu Henners Kabine. Ich schlich zu meinem Fenster und schloss es von außen, bevor ich an dieser Stelle mit der Bootsreinigung fortfuhr.
    Saubermachen gehörte nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber hier machte es erstaunlicherweiseSpaß. Der kleine See lag ruhig, in etwa hundert Metern Entfernung wurde er von den ersten Booten passiert, die früh in Richtung Müritz oder andere Gewässer nördlich von uns unterwegs waren. Ein paar Nebelfetzen hingen noch über dem Wasser, einige Entenfamilien schwammen umher, und einmal meinte ich, einen durchaus mächtigen Raubvogel aus dem Wald aufsteigen zu sehen. Wir waren von ziemlich viel Wald umgeben. Von uns und den beiden anderen Booten abgesehen, die ein paar Dutzend Meter weiter ankerten und auf denen sich noch nichts tat, gab es kein Anzeichen für Zivilisation.
    Als ich fast fertig war, kam Simon mit zwei großen Kaffeebechern an Deck, die mit dem Logo einer bekannten Hotelkette bedruckt waren. »Zum Glück habe ich meine Lieblingspötte eingepackt, die Tassen hier sind ein Scherz. Außerdem ist die Hälfte kaputt.«
    Ich nahm einen Schluck, sagte »lecker« und musterte die Becher.
    Wir saßen schweigend nebeneinander auf der Bank am Bug. Alle hundert Sekunden wurde die Stille durch das Klicken von Simons Feuerzeug unterbrochen.
    »Das ist mein erster Urlaub seit …« Er pausierte und sah in den fast schon klischeehaft blauen Himmel. »Keine Ahnung. Ich habe mal eine Woche auf Mallorca verbracht« – er sprach den Inselnamen mit zwei l aus –, »vor

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