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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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wieder herein und ließ sich informieren. »Gibt es so was wie einen Wasser-ADAC? Ich meine, für Starthilfe und so. Irgendwas müssen die ja auch machen, wenn im Winter nichts geht.«
    »Da liegen die Schiffe in Häfen «, sagte Simon und hob eine Augenbraue.
    »Wir könnten in der Basis anrufen, die schicken dann jemanden«, erklärte Henner, auch wieder bei uns. Er hielt das dicke Bordbuch – eine Sammlung von Informationsblättern in Klarsichthüllen – und eine Visitenkarte mit dem Logo des Charterers in den Händen.
    »Wir könnten uns auch allesamt das Wort ›Idiot‹ auf die Stirn tätowieren lassen«, sagte Simon.
    »Anschieben kann man den Pott jedenfalls nicht«, sagte ich, fand den Gedanken daran, wie wir es schwimmend versuchten, aber lustig. »Und ich glaube kaum, dass wir oder die anderen« – ich zeigte nach draußen – »Starthilfekabel dabeihaben.«
    »Ich war mal Elektriker«, sagte Simon. Er runzelte die Stirn. »Okay, ich habe einiges an Stromleitungen verlegt. Aber da ging es auch um Elektrik.«
    Er sah sich um, vor allem am Boden. Gut erkennbar gab es da einige große Klappen mit eingelassenen metallenen Griffringen, aber unter der ersten, die er öffnete, war nur eine ziemlich mächtige ölverschmierte, glänzende Metallstange zu sehen.
    »Die Antriebswelle«, verkündete Henner. Er schien sich daran zu erfreuen, dass mal ein anderer an einer Katastrophe schuld war.
    »Und der Motor liegt dann …?«, fragte Simon.
    Henner stutzte kurz, ließ sich aber nicht verunsichern. »Weiter vorne? In Richtung Bug?«
    »Genau.« Simon öffnete die nächste Klappe.
    Ich hatte eine große Maschine erwartet, irgendwas von der Mächtigkeit der riesigen Antriebe, die man auf National Geographic zu sehen bekam, wenn eine Schiffsreportage gezeigt wurde, aber der Metallklotz, der sich unter der Öffnung befand, war vermutlich nicht größer als der in Henners Discovery.
    Unter der übernächsten Klappe fand der selbsternannte Elektriker mehrere Autobatterien, die auf mich ziemlich neu und irgendwie energetisch wirkten. Simon verschwand in seiner Kabine und kehrte mit einem hoffnungslos verdreckten Messgerät zurück. Damit fuchtelte er eine Weile an den Batterien herum, bis zur Hüfte im schmalen Kabuff unter der Klappe stehend.
    »Sind alle in Ordnung«, sagte er schließlich und kratzte sich mit einem verschmierten Finger an der Schläfe. Er kletterte wieder aus dem Kabuff, hangelte sich – ohne Kopfstoß, denn jemand, der auf Baustellen arbeitet, gibt automatisch auf Hindernisse acht – zu den Kabinen hinunter und klapperte dann mit sämtlichen Schrank- und sonstigen Türen herum, die dort zu finden waren. In der zweiten Nasszelle wurde er fündig. Kurz darauf kehrte er grinsend zurück, zog am Hebel – und mit einem kurzen Stottern sprang der Motor an, als wäre er überrascht, doch noch arbeiten zu müssen. Die Kontrollen für den Fäkalientank zeigten ein fröhliches Gelb. Ich schlug Simon anerkennend mit der Hand auf die Schulter.
    »Was hast du gemacht, großer Meister?«
    »Die Sicherung wieder eingeschaltet.« Er schaltete außerdem eine weitere Zigarette ein.
    Henner nickte langsam. »Ohne dich hätten wir hier stundenlang auf einen Techniker gewartet«, sagte er schließlich ein wenig zerknirscht.
    Simon legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ohne mich wäre das wahrscheinlich nicht passiert, Freund Pastor.« Er drehte sich zu mir. »Wie steuert man diesen Kahn?«

    Während wir auf die nicht weit entfernte Ausfahrt aus dem See zuhielten und ich Simon darüber informierte, dass wir ab dort die Höchstgeschwindigkeit von 8 km/h einzuhalten hätten, drückte er verzweifelt den Gashebel weiter nach vorne. Die Dahme verfügte über kein Tacho, sondern nur über einen Drehzahlmesser, an dem drei farbige Klebestreifen für sechs, acht und zehn km/h Geschwindigkeit befestigt waren, und die Anzeige hing trotz Vollgas nur kurz über dem letzten, roten Streifen.
    »Dreitausend Umdrehungen?«, fragte Simon skeptisch. »Der Drehzahlmesser geht bis sechstausend. Ist das Ding gedrosselt?«
    Ich zuckte die Schultern. Gedrosselt?
    Ohne dass ihm irgendwer erklärt hätte, wie man das macht, stoppte Simon vollendet auf. Rückwärts, kurz Vollgas, Blick nach draußen, Leerlauf. Das Schiff stand einfach, als hätte er eingeparkt und die Handbremse angezogen. Henner saß auf der Bank vorne, drehte sich aber kurz um und sah anerkennend-staunend zu uns. Mark lag hinter ihm in der Basehose auf einer Isomatte und

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