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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Feuerschein auf, als hätten die Kanuten ein Fass Benzin ins Lagerfeuer gekippt. Ich blickte zu Henner, der das aber nicht wahrgenommen hatte, zuckte die Schultern und nahm meine Position wieder ein.
    Wir schafften es tatsächlich ohne weitere Schwierigkeiten zurück zum See, fanden nach insgesamt einer guten halben Stunde seit dem Ablegen vom Wanderplatz gar unseren ehemaligen Liegeplatz wieder, wie wir jedenfalls glaubten, denn auch das Mag-Lite war kein flammendes Elfenlicht, wie es Frodo von Galadriel bekommen hatte. Gemeinsam mit Henner legte ich den vorderen Anker aus, dieses Mal allerdings ließen wir nicht die gesamte Leine ab, sondern nur ungefähr die Hälfte. Von hinten platschte es wieder einmal, aber Mark war nicht ins Wasser gefallen oder gesprungen, sondern hatte einen kleineren Anker gefunden, den er nach hinten ausgeworfen hatte. Jetzt konnte fast nichts mehr schiefgehen. Mark hatte sogar daran gedacht, die Leine des Ankers am Boot festzumachen, bevor er das Ding rauswarf.
    »Was hast du denn da?«, fragte er, als wir im gut beleuchteten Salon standen.
    Henner schaltete die Außenlampen ab bis auf eine, die er als Ankerlicht identifiziert hatte. Simon montierte derweil eine Art Verteilerstation an der Zigarettenanzündersteckdose, die sich zwischen den Armaturen am Steuerstand befand, um seine Handysammlung mit Strom zu versorgen.
    Ich griff zur Schläfe, es blutete nicht mehr. »Nur eine kleine Schürfwunde.«
    »Das meine ich nicht.« Er zeigte auf mein Haar.
    »Oh.« Ich betastete meine Perücke. »Wird wohl ein Spinnennetz sein, in das du gefahren bist.« In diesem Augenblick spürte ich, wie etwas in meinem Nacken krabbelte. Ich griff hin und warf das, was dort gekrabbelt hatte, vor uns auf den Tisch. Es handelte sich um eine fette, fast handtellergroße Spinne, die eine mehrfarbige Rückenzeichnung hatte und jetzt auf der Stelle kreiste, vermutlich hatte ich ein bis vier Beinchen verletzt.
    Mark machte »Uoha!« und sprang rückwärts. »Mach das Scheißteil tot! Mach es tot!«, schrie er mit weit aufgerissenenAugen. Mit der rechten Hand wies er auf das Insekt – und seine Hand zitterte.
    »Ist doch nur eine Spinne«, stellte ich fest und zog mir die Reste der Fäden aus den Haaren. »Nützliche Viecher. Tun keinem was.«
    Mark wiederholte allerdings die Tötungsaufforderung, in seinen Augen stand echte Angst. Ein Arachnophobiker! Ich nahm die Spinne an einem unverletzten Bein, ging an Mark vorbei, der sich an die Kücheneinrichtung drückte, und warf sie heckwärts ins Wasser.
    »Ist sie auch sicher tot?«
    »Wenn sie nicht zweibeinig schwimmen kann – früher oder später schon.«
    »Scheiße, war die groß.«
    Ich kniff die Augen zusammen und fixierte das Fenster in Marks Rücken. »Schon. Riesig.«
    »Jetzt brauche ich noch ein Bier.« Er ging zum Kühlschrank. Was Mark nicht sah, war eine weitere ziemlich dicke Spinne, die außen am Fenster direkt hinter dem Kühlschrank in ihrem Netz herumkletterte. Und ich vermutete, dass es längst nicht die einzige war, die sich als blinder Passagier an Bord der Dahme befand. Schließlich waren wir hier mitten in der Natur, und da gab es wahrscheinlich nicht wenige dieser Viecher. Und zwar gut genährte, denn um das Netz des Insekts schwirrten im Licht, das vom Salon nach draußen schien, Myriaden Mücken und andere Flattergesellen, die nur vom Verbundglas daran gehindert wurden, über uns herzufallen und beispielsweise Henner zu Tode zu stechen. Ich schlug mir die Idee aus dem Kopf, bei offenem Fenster zu schlafen.

    Mark riss eine Tüte Chips auf und öffnete sich ein weiteres Bier, das achte, wenn ich richtig mitzählte, ich war beim dritten und spürte erstaunlicherweise kein einziges, aber auch Mark war nichts anzumerken. Henner trank Mineralwasser.Simon, der vom Bratwurstgelage am Wasserwanderplatz nichts mehr abbekommen hatte, kontrollierte lobend unsere Proviantauswahl, schälte dann zwei Zwiebeln; kurz darauf schmorten wohlriechende Rühreier mit Zwiebeln, Speck und Tomaten auf dem Butangasherd. Er schnitt sich dazu eine astdicke Stulle ab, auf der er mit offenem Mund herumkaute, während er sich, den dampfenden Teller balancierend, zu uns setzte – kein schöner Anblick. Seinen Oberkiefer hatte er vor vier oder fünf Jahren teuer instand setzen lassen, aber der Zahnarzt wartete immer noch auf sein Geld. Deshalb stand die Renovierung des Unterkiefers vorerst auch nicht auf der Agenda, und Simons Unterkiefer sah aus, als hätte jemand mit

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