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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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ließ die Sonne auf sich scheinen.
    Simon öffnete abermals die Klappe zur Maschine, kletterte halb hinunter und sah sich um.
    »Ah. Eine Plombe am Gaszug.«
    »Plombe«, wiederholte ich, als wäre ich Mark.
    Simon lachte und zeigte dabei seinen Unterkiefer, den ich in diesem Augenblick für mich »Dresden 1945« taufte.
    »Plomben können brechen «, erklärte er lächelnd. Dann holte er einen der beiden Metallkoffer, in dem unter anderem auch das ranzige Messgerät lag. Er war mit Werkzeug aller Art gefüllt, ich sah einen Lötkolben, Maulschlüssel, Hammer in verschiedenen Größen, Farbrollen, Rohrzangen, Spachtel, Unmengen Schrauben, Muttern, Nägel, Lüsterklemmen und solches Zeug, außerdem etwa zweihundert klebrige Einwegfeuerzeuge. Alles starrte vor Dreck.
    »Warum schleppst du so was in den Urlaub mit?«, fragte ich.
    Simon hantierte bereits mit einer ziemlich großen Zange herum. »Weil ich erstens direkt von der Arbeit gekommen bin. Und man zweitens nie weiß.«
    »Wir verlieren wahrscheinlich den Versicherungsschutz, wenn wir den Motor manipulieren«, erklärte Henner, der sich zu uns gesellt hatte. Seine bescheuerte Kapitänsmütze hielt er in der Hand.
    Simon sah nur kurz auf. »Dann bete zu deinem Gott, dass sie nicht entdecken, dass wir den Motor manipuliert haben«, sagte er freundlich und ließ die Plombe krachen. Henner verzog schweigend das Gesicht.
    Danach machte der Motor der Dahme bei Vollgas satte fünftausend Umdrehungen, umgerechnet also beinahe 20 km/h – der Fahrtwind durch die geöffneten Frontscheiben war deutlich zu spüren. Parallel zu uns brach ein anderes Schiff, das im See geankert hatte, in Richtung Ausfahrt auf, aber wir hatten nicht die geringste Mühe, es abzuhängen. Ich pfiff anerkennend.
    »Können wir jetzt auch Wasserski?«, rief Mark von der Isomatte aus, ohne sich zu uns umzudrehen.
    »Wir sollten es in jedem Fall ausprobieren«, erklärte Simon, zündete sich eine Zigarette an und steuerte den Pottmit der gleichen Bewegung elegant in die Flussmündung. Neben der Ausfahrtsmarkierung, einem gestreiften, weißen, auf der Spitze stehenden Quadrat am Ende einer langen Stange, nahm er Gas weg, und ohne dass er dem Drehzahlmesser auch nur einen kurzen Blick gewidmet hätte, landete die Anzeige sauber direkt unter dem Klebestreifen für acht Stundenkilometer.
    »Ich mag Fahrzeuge einfach«, sagte er, während ich das Schiffsdach öffnete.

    Der Warteplatz der Schleuse Steinhavel lag am linken Ufer. Er war ziemlich lang – zweihundert Meter, schätzte ich – und fast bis zum Ende voll besetzt, was nach meiner Rechnung bedeutete, dass wir mindestens vier Schleusungen abzuwarten hätten, um selbst an die Reihe zu kommen. Ich übernahm das Steuer, wusste aber eigentlich nicht viel besser als Simon, wie man anlegt. Ich fuhr einfach sehr langsam, zielte mit der Bootsspitze hinter das letzte wartende Boot, stoppte dann auf und betätigte den grünen linken Knopf des Bugstrahlruders. Der Bug schlenderte auf das Ufer zu. Henner stand vorne, eine Leine in der Hand, und wartete. Erst als alle anderen mehrfach »Jetzt!« riefen, sprang er ans Ufer, penibel darauf achtend, mit seinen hellen Segelschuhen nicht etwa eine Pfütze zu treffen, zog die Leine bedächtig zweimal um den dicken Pfahl, straffte das Ende und schaute dann, als müsste er gelobt werden.
    Leider hatten wir kein verdammtes Heckstrahlruder . Während Henner vorne festhielt, bemerkte ich, wie das Hinterteil des Bootes gemächlich versuchte, den Bug zu überholen – schließlich gab es hier ja, wie mir bewusst wurde, Strömung. Ich kurbelte am Steuer, bis es auf das Äußerste nach rechts eingeschlagen war, und gab vorsichtig Gas. Erst tat sich nichts, dann gab ich etwas mehr Gas. Und, siehe da, das Heck trieb gemütlich auf das Ufer zu, während das Vorderteil des Bootesgegen den Pfahl drückte. Schließlich gab ich einfach Vollgas. Simon sprang zu mir und nahm den Hebel zurück.
    »Denk an die Plombe«, sagte er lächelnd.
    Und dann lagen wir. Ich klopfte mir gedanklich auf gedankliche Schultern – ich hatte etwas begriffen, wie ich meinte. Leider öffnete die Schleuse in diesem Moment, Boote glitten heraus, die Anzeige wechselte kurz danach auf Grün, vorne legten fünf oder sechs Schiffe ab, Henner und Mark waren im Begriff, uns ebenfalls loszumachen und an Bord zu kommen, aber ich hatte keine Lust darauf, dieses anstrengende Manöver jetzt viermal zu wiederholen.
    »Ihr könnt den Kahn ziehen«, rief ich und zeigte

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