Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
acht oder neun Jahren. Da war ich mit diesem Täubchen aus Marzahn zusammen. Jacqueline.« Auch hier ließ er nicht einfließen, dass der Name eigentlich kein deutscher war: Dschack-Kell-Liene. »Kann auch zehn Jahre her sein. War aber eine Scheißwoche. Jacqueline hat am Strand einen Spanier kennengelernt und mich dann sitzenlassen.«
»Oh. Tut mir leid.«
Simon lachte. »War meine eigene Dummheit, mit dieser Torte in den Süden zu fliegen. Ehrlich, die war blöder als ihreeigenen Schuhe, aber sie sah hammer aus. Einfach hammer.« Er schwieg wieder kurz. »Lange her«, sagte er dann und lehnte sich zurück. Ein Brocken Asche von der Zigarette fiel in seinen Kaffeetopf, aber ich sagte nichts.
Plötzlich polterte es, Mark rannte an uns vorbei, sprang wiederum per Arschbombe ins Wasser und schrie noch »Guten Morgen!«, kurz bevor er die Wasseroberfläche berührte. Als er eine halbe Minute später wieder auftauchte, war er locker fünfzig Meter vom Boot entfernt und prustete lautstark. Kurz darauf setzte sich Henner neben uns, im gebügelten und vielleicht sogar gestärkten Shirt, das teuer aussah und – heilige Scheiße! – einen gestickten, dunkelblauen Anker als Logo auf der Brust trug. Auch seine oberschenkellangen Shorts sahen nach Seemannskleidung aus, dazu weiße Socken in weißen Segelschuhen. Die Kleidung stand in einem sehr seltsamen Kontrast zu den vielen entzündeten roten Flecken, mit denen die eher blasse Haut an Hals, Gesicht, Unterarmen und Unterschenkeln übersät war. Henner hielt eine der kleinen Tassen, die noch heil geblieben waren, und trank offenbar Tee. Sein Gesicht sah etwas zerknittert aus, übermüdet, als hätte er die ganze Nacht mit der Vorbereitung einer Predigt verbracht.
»Hatten wir vorhin Seegang?«, fragte er.
Simon lachte und stand auf. »Ich muss mal duschen«, erklärte er.
Simon duschte und duschte, während wir schon die aufgebackenen Brötchen aßen und auf die Frühstückseier warteten. Wir saßen auf der Heckterrasse im Sonnenschein, Henner trug tatsächlich eine Art Kapitänsmütze und dazu eine Ray-Ban.
»Wo kommt unser Leitungswasser eigentlich her?«, fragte Mark. »Ich meine, die Seen sind ja ziemlich klar, aber das ist doch wohl kein Trinkwasser.«
»Einige Seen in Mecklenburg-Vorpommern haben tatsächlichTrinkwasserqualität«, dozierte Henner. »Aber, nein, wir haben Frischwassertanks. So um die tausend Liter fassen die wohl, meine ich gelesen zu haben. Oder dreizehnhundert.«
»Frischwassertanks«, wiederholte Mark.
»Wenn Simon so weiterduscht, sind die gleich leer«, mutmaßte ich. Tausend Liter? Wie viel wohl in eine Badewanne passte?
»Er muss ja auch eine Menge … Krempel abschrubben«, sagte Mark. Und dann, ganz förmlich an unseren Kirchenmann gewandt: »Jan-Hendrik, mir ist aufgefallen, dass du vor dem Essen überhaupt nicht betest. Du bist doch Pfarrer, oder?«
Henner nickte kurz und wechselte einfach das Thema. »Ich habe die Gewässerkarte studiert. Wir sollten zurückfahren und Kurs in Richtung Templin nehmen. Das ist angeblich eine sehr schöne Strecke« – er wies auf sein Tablet , das auf dem Tisch lag –, »und wir könnten dann dort irgendwo ankern.«
»Templin«, sagte Mark. »Klingt originell.«
Wir futterten weiter, Simon gesellte sich zu uns, von der Hälfte seiner Farbflecken befreit, und mampfte wie ein Scheunendrescher – wenn er nicht gerade rauchte.
Als wir aufbrechen wollten, zeigte sich, dass die Schiffsbatterien durchaus in Mitleidenschaft gezogen wurden, wenn man eine Schiffsladung Mobiltelefone über sie auflud. Erst jetzt entdeckten wir, dass sogar die Funzeln für den Fäkalientank verweigerten, uns über die gespeicherte Abwassermenge zu informieren, und als ich den Hebel zog, um den Motor zu starten, während Henner vorne und Mark hinten darauf warteten, die Anker zu lichten, tat sich – überhaupt nichts. Kein Mucks. Es gab nicht einmal ein Klicken.
»Mmh. Ich kenne mich mit Schiffstechnik nicht aus, aber auf mich macht es den Eindruck, als wären die Batterien leer.«
Simon nickte, zog aber trotzdem ein paarmal am Hebel.
»Was ist los?«, rief Hendrik.
»Die Batterien sind platt«, antwortete Simon.
»Im Bordbuch steht, dass das getrennte Systeme sind«, meinte Henner. »Auch wenn die Batterien für die Bordelektrik leer sind, müsste der Anlasser Strom haben.«
»Du kannst ja versuchen, den Pott mit dem Scheiß-Bordbuch zu starten«, rief Simon zurück, aber mit freundlichem Unterton.
Mark kam
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