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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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bestätigend nickten. Simons Beuteschema kam heraus und zeigte erst zum Steg, an dem die Tusse lag. Und dann zu uns.
    »Patrick«, antwortete ich dem Engel. »Aber das ist gerade ein bisschen schlecht. Wir müssen dringend los.«
    Die beiden anderen Leichtmatrosen nickten energisch.
    »Bleibst du noch?«, fragte ich vorsichtig.
    »Vielleicht bis zum Abend«, trällerte sie. »Aber ich weiß nicht genau.«
    Es blieb keine Zeit für eine Antwort. Mark und Henner rannten los, ich sprang auf und folgte ihnen. Ich hörte noch, wie jemand etwas brüllte, und es war keine weibliche Stimme.

    Wir waren keine fünfzig Meter gerannt – Mark führte, ich hielt mich kurz vor Henner –, als ich die Idiotie der Situation zu begreifen begann.
    »Haltet mal«, keuchte ich. Schon nach dieser kurzen Strecke pochte es in meinem Schädel.
    »Die Kirche ist da vorne«, antwortete Henner.
    »Das ist doch idiotisch. Sie mögen gewalttätig sein, aber sie werden doch nicht am helllichten Tag und vor Zeugen handgreiflich werden.«
    »Handgreiflich«, wiederholte Mark.
    »Werden sie nicht?«, fragte Henner nachdenklich und sah in Richtung Jachthafen.
    »Eher nicht, oder? Den Bulli haben sie im Dunkeln abgefackelt. Hier ist die Situation eine andere. Wenn einer von uns nach Hilfe schreit, holt die Hafenmeisterin die Polizei.«
    »Vielleicht sollten wir die Polizei rufen«, meinte Mark.
    »Im Prinzip keine schlechte Idee«, sagte ich. »Es wäre eine gute, wäre Simons Situation etwas besser. Aber ich fürchte, das Abfackeln seines Täubchens wird ungesühnt bleiben. Er ist nicht in der Position, Strafanzeige zu erstatten.«
    »Also was?«, fragte Henner.
    »Wir gehen einfach zurück«, schlug ich vor. »Klettern aufs Boot und fahren los. Vielleicht nehmen wir noch ein paar Leute mit, als Zeugen oder menschliche Schutzschilder.«
    »Ich kann mir vorstellen, wen du damit meinst«, unkte Henner.
    »Scheißegal. Sie werden uns nichts tun.«
    »Was würdest du darauf wetten?«
    »Okay, dann mache ich es eben allein.«
    »Bin dabei«, sagte Mark und grinste.
    Henner sah zur Kirche und dann wieder zu mir. »Du könntest recht haben. Allerdings – dieser Mann macht nicht unbedingt den Eindruck, sich groß um Gefahren zu scheren.«
    »Er hat Visitenkarten aus Magnesium «, konstatierte Mark.
    »Und wenn sie aus Plutonium wären«, gab ich zurück. »Er kann uns nicht aufhalten.«
    »Kann er nicht?«, fragte Henner rhetorisch, setzte sich aber in Richtung Jachthafen in Bewegung.

    Die drei Männer standen vor der Tusse . Ein Bodyguard telefonierte in einer Fremdsprache, möglicherweise Albanisch.
    »Sie haben mich belogen«, sagte der Armaniträger und grinste wölfisch.
    »Das tut mir unendlich leid«, sagte Henner und schob sich an ihm vorbei. Mark und ich folgten, und als die drei Albaner hinter uns waren, kribbelte es stark in meinem Nacken. Icherwartete sekündlich, den Lauf einer Schusswaffe im Rücken zu spüren oder einfach umgehauen zu werden.
    »Ich verstehe, dass Sie Ihren Freund schützen möchten, aber er hat mich betrogen. Auf sehr unanständige Weise.«
    »Das ist bedauerlich«, erklärte Henner und trennte den Landstrom. »Aber wir wissen erstens nicht, wo er ist, und haben zweitens mit dieser Sache nichts zu tun.«
    »Das ist eine mögliche Sicht auf diese Angelegenheit.«
    »Ja«, sagte Henner bestimmt. »Meine.«
    Mark fuddelte an den Leinen herum und sah dabei aus, als würde er augenblicklich kollabieren. Er war die personifizierte Angst, schwitzte wie ein Innuit in Hurghada. Ich fühlte mich ähnlich, ließ es mir aber nicht anmerken. Hoffte ich wenigstens. Ich schob ihn in Richtung Ruder und übernahm es, die Leinen zu lösen. Mark startete den Motor.
    »Sie gewinnen nur Zeit, nichts weiter«, sagte der Albanerhäuptling lächelnd.
    »Wenigstens das«, gab ich zurück, dann legte unser Boot ab. Mark steuerte uns zielsicher mitten in die Schilfbeete, riss eine breite Furche hinein, vollführte dann noch ein paar weitere ähnlich originelle Stunts – und schließlich hielt die Tusse Kurs auf die östliche Ausfahrt des Ellbogensees.
    »Und nun?«, fragte Henner. Sein Telefon piepte, er warf einen kurzen Blick darauf. »Immerhin wissen wir, unter welcher Nummer Simon zu erreichen ist. Er hockt in der Kirche.«
    Ich sah zum Jachthafen. Ein kleines Motorboot, vermutlich eines mit 5-PS-Motor, das man ohne Führerschein und Einweisung chartern konnte, verließ ihn soeben. Es war gut zu erkennen, dass die Besatzung aus zwei Bulldozern

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