Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
teilten sich – die beiden Leibwächter betraten den einen, der Lockenkopf den anderen Steg.
»Die sind ganz schön beharrlich«, fand Mark.
»Sie werden mich umbringen«, gab Simon zurück. Ich verkniff mir Bemerkungen über seinen Selbstmordversuch in Neustrelitz. »Und euch auch«, ergänzte er. »Wenn sie rausfinden, dass wir zusammengehören.«
»Sie sind auf den Stegen. Verpiss dich, Simon. Aufs Klo.«
Er kam unter dem Tisch hervor und sah sich vorsichtig um.
»Da werden sie mich finden.«
»Geh in die Kirche«, schlug Henner vor, ohne jede Ironie. »Ist ja nicht weit weg.«
Simon nickte und sprintete davon. Zehn Schritte. Dann hustete er vorsichtig in seine Armbeuge und verlangsamte sich deutlich.
Fünf Minuten später stand das Trio an unserem Tisch, die anderen hatten sich inzwischen geleert – die Mittagszeit war längst vorbei, die ältlichen Paare saßen auf ihren Booten und kochten Kaffee.
»Wir bitten um Entschuldigung«, sagte der schwarzgelockte Mann im Armani-Anzug – dunkle Augen, kantiges Gesicht, nicht unsympathisch, aber eine subtile Form von Gewaltbereitschaft, nein, Macht ausstrahlend. Sein Deutsch war akzentfrei. »Wir suchen eine Person. Könnten Sie uns bitte behilflich sein?«
»Selbstverständlich«, sagte Henner freundlich; diese Sonderform schauspielerischen Talents gehörte zu seiner Berufsbeschreibung. »Worum geht es?«
»Ein Freund von uns«, sagte der Albaner mit einem strahlenden Lächeln, das aufwendig renovierte, makellos weiße Zähne offenbarte. Alles an diesem Mann war teuer, dabei keineswegs stillos. »Wir sollten ihn hier treffen.«
»Hier ist außer uns niemand«, behauptete Mark, aber seine Mundwinkel zuckten deutlich. Er war eben kein Pfarrer.
Der Albaner zog eine Augenbraue hoch. »Möglicherweise haben Sie ihn dennoch gesehen.« Und dann beschrieb er Simon, äußerst präzise. Dabei behielt er Mark im Blick, wie eine Spinne, die ihre Beute beobachtet – ausgerechnet Mark.
»Wir würden Ihnen gerne helfen«, sagte Henner anschließend und lächelte dabei weiter gewinnend. »Aber wir haben keine Person gesehen, auf die diese Beschreibung zutrifft.«
»Das ist bedauerlich«, sagte der Mann vieldeutig.
Er nickte langsam und ließ Mark nicht aus den Augen. Dann sah er einen der Bodyguards an und nickte abermals. Der menschliche Bulldozer zog eine Visitenkarte aus der Hosentasche, die offenbar aus gebürstetem Magnesium gefertigt war, und legte sie vor uns auf den Tisch. Lediglich eine geprägte Telefonnummer befand sich darauf, nichts weiter.
»Falls sie ihn sehen. Es ist wirklich wichtig.«
Wir nickten pflichtbewusst, Mark nahm die Karte, um endlich dem prüfenden Blick des Mannes ausweichen zu können. Wahrscheinlich dachte er dabei: Feinkörnig .
Und ich dachte: Wenn sie reingehen und der Kellnerin gegenüber die Beschreibung wiederholen, sind wir geliefert. Ich sah Henner an, der offenbar dasselbe dachte, denn sein freundliches Lächeln war einem sorgenvollen Gesichtsausdruck gewichen. Aber die drei verließen die Terrasse – und gingen in Richtung Holzverschlag der Hafenmeisterin. Verdammt. Immerhin aber war, soweit ich erkennen konnte, die Hafenmeisterin derzeit aushäusig – der Kabuff war leer.
Glücklicherweise kam in diesem Moment die Kellnerin.
»Zahlen«, sagten wir im Chor. Und ebenso im Chor fiel uns dreien ein, dass wir kaum noch Bargeld besaßen, jedenfalls keine Scheine.
Also bargeldlos. Während das albanische Trio am Kiosk wartete, warteten wir zuerst auf die Kellnerin mit dem Lesegerät, dann auf den Verbindungsaufbau, die Kartenprüfung, den quälend langsamen Ausdruck der Belege, die Überprüfung der Unterschrift. Minuten zogen sich wie Jahre. Auf dem linken Steg erschien die Hafenmeisterin, sah, dass Leute vor ihrem Kabäuschen warteten, beschleunigte ihren Schritt mit wackelndem Gesäß, aber der Hauptinteressent dafür weilte inzwischen in einer Kirche. Endlich nickte die Kellnerin, uns freigebend. Wir sprangen auf.
Aber – wohin?
»Ich bin Anna«, sagte plötzlich eine weibliche Stimme. »Und du?«, fuhr sie fort. Ein Stuhl wurde gerückt, dann saß sie neben, nein, vor mir. Mit einem Lächeln wie von einem Dreitausend-Watt-Baustellenstrahler. Und sogar die Stimme war … sahnig. Feinkörnig.
Mark und Henner standen bereits und sahen mich auffordernd an. In Henners Blick war, kaum überraschend, zugleich etwas Vorwurfsvolles. Marks Augen fixierten das Hafenmeister-Häuschen, vor dem die Albaner standen und
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