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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Simon.
    »Da würde ich nicht zustimmen«, sagte Henner. »Eher ein ziemlicher Vollidiot.«
    Die Kellnerin brachte die Schnitzel und Fleischspieße. Wortlos vertagten wir die Diskussion, aber ich konnte beim Schweinefleischmümmeln nicht damit aufhören, an Cora zu denken. An die vielen, im Wortsinn hingebungsvollen Momente. An ihre liebevollen Versuche, mich für sie zu gewinnen. An ihr offensichtliches Bemühen, mich zu ändern, ohne mich je zu kritisieren. An ihre Sanftheit, ihre Zärtlichkeit, ihren Altruismus. Und ihre Zielstrebigkeit.
    »Lass es raus«, sagte ausgerechnet Mark plötzlich.
    »Was?«, fragte ich überrascht, und dann stellte ich fest, dass ich weinte.

    Nach dem Essen durchsuchten wir den Ort nach einem Supermarkt, fanden aber nichts. Priepert besaß eine Kirche und den Jachthafen, ansonsten aber nur Wohnhäuser und einen Gasthof mitten im Nichts, der offenbar zum Verkauf stand. Wir kehrten durchgeschwitzt ins Restaurant zurück und bestellten Biere. Parallel zu den gutgefüllten, schaumgekrönten Töpfen trafen zwanzig dunkelrote Kanus ein, die von ihren Besatzungen fünf Meter von uns entfernt an Land gezogen wurden. Eine schlanke, dunkelblonde Frau zog sich ein Kopftuch aus den Haaren, sah sich um, dann mich direkt an – und lächelte strahlend. Sie trug stylische Flickenjeans, ein weißesTop, ein ausgefleddertes Freundschaftsarmband und war barfuß. Ihre Haare sahen nicht danach aus, als hätte ihre Trägerin mehrere Tage auf dem Wasser verbracht – geschmeidiggelockt fielen sie über die Schultern. Die Frau war größer als Cora, wozu nicht viel gehörte, wirkte aber durch die äußerst schlanke Figur noch filigraner. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich die markanten Wangenknochen und die hypnotischen Augen sehen. Sie lächelte immer noch. Legte den Kopf schief, schien eine Reaktion zu erwarten. Ich schätzte sie auf Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig.
    »Alles okay?«, fragte Simon.
    Ich sah zu ihm, kurz zu den anderen. Henner musterte mich skeptisch, Mark hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, aber sein Mund bewegte sich stumm, als würde er zu einem Kokser-Gott beten.
    »Schon.«
    Simon grinste, Henner zog die Augenbrauen hoch. Dann sah ich wieder zu ihr. Ich konnte einfach nicht anders. Dieser Gesichtsausdruck – da stand ein manifestierter Engel und lächelte mich an. Nach wie vor. Schließlich deutete ich ein Nicken an und lächelte ebenfalls. Zoom! Unglaublich, aber sie war noch zu einer weiteren Steigerung fähig. Die gleißende Sonne verkam innerhalb eines Wimpernschlags zu einer billigen Tranfunzel.
    Aber mein Schicksal verlief weiter parallel zu dem von Curt Henderson.
    »Fuck!«, zischte Simon plötzlich und sprang auf. »Schmeißt ein paar Scheine auf den Tisch. Wir müssen weg.«
    Ich blickte mich irritiert um, Henner und Mark ebenfalls.
    »Die verdammten Albaner«, sagte Simon leise, aber eindringlich und nickte in Richtung Hafenmeisterei.
    Da waren sie. Zwei Muskelpakete in schwarzen Jogginghosen und Muscleshirts, etwa zwei Meter groß und mit kurz geschorenen Haaren, die einen schwarzgelockten, auch nichteben unmuskulösen Typen im feinsten und wettermäßig sehr unpassenden Edelanzug einrahmten. Das Trio war an der anderen Seite des Restaurants aufs Gelände gekommen und von uns jetzt etwa zwanzig Meter entfernt. Alle drei sahen mit zusammengekniffenen Augen zu den Stegen, hinter denen das Sonnenlicht auf dem minimalen Seegang tanzte. Simon stieß seinen Stuhl beiseite und verschwand unter dem Tisch.
    »Fuck«, ließ er von dort hören.
    Der Tisch hatte keine Tischdecke. Ein kleiner Junge kam heran und fragte, sich zugleich bückend: »Was machst du da?«
    »Was tun sie?«, flüsterte Simon und ignorierte den Jungen.
    »Sich umsehen«, antwortete ich. In diesem Augenblick setzte sich das Trio in Bewegung. Ich gönnte mir einen kurzen Blick auf den dunkelblonden Engel – sie war dabei, ihr Kanu zu entladen.
    Die drei kamen auf uns zu, aber wir saßen auf der erhöhten Terrasse, weshalb der supergut versteckte Simon möglicherweise für sie tatsächlich nicht zu sehen war.
    »Onkel, was machst du da? Verstecken spielen?«, fragte der Junge beharrlich und ging in die Hocke.
    »Ich gebe dir zehn Euro, wenn du verschwindest«, zischte Simon. Und: »Ich bin nicht dein Onkel.«
    Henner zog seine Brieftasche hervor, entnahm ihr ein paar Münzen und reichte sie dem Kind. Freudestrahlend ging der Junge davon.
    Die Albaner passierten uns und

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