Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
herausgefunden hat, wie er Nachschlag bei der Fütterung herausholen kann. Halbnackt wirkten die beiden noch gewaltiger. Waschbrettbäuche. Schultern wie Schwarzenegger in seinen besten Tagen. Hälse von der Mächtigkeit eines Beton-Kanalisationsrohrs. Achselhaarbüsche, mit denen man die Glatzen einer ganzen Altenheimbesatzung revitalisieren könnte. Heilige Kacke.
Mark und der Albanerchef, der sich bei dieser Gelegenheit als Armend vorstellte, gesellten sich zu uns.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für unsere … Rettung «, sagte er. »Aber Sie müssen bitte auch verstehen, dass es an der eigentlichen Angelegenheit wenig ändert. Herr Simon« – eiskalte Verachtung lag in seiner Stimme, als er den Namen aussprach – »hat sich äußerst unehrenhaft verhalten, und ich würde meine Reputation riskieren, ließe ich das durchgehen, auch wenn es letztlich um eine kaum bemerkenswerte Summe geht. In meiner Branche spricht sich schnell herum, wenn man sich auf der Nase herumtanzen lässt. Es würde meine sonstigen Geschäfte beschädigen.«
Ich war versucht nachzufragen, um welche Art von Geschäften es sich handelte. Und was für ihn bemerkenswerte Summen waren.
»Wir verstehen das«, erklärte Henner, einen angemessenernsthaften Gesichtsausdruck zeigend. »Aber Sie müssen auch verstehen, dass wir unseren Freund schützen möchten.«
»Freundschaft ist wichtig«, sagte Armend, nachdenklich nickend. »Loyalität schätze ich sehr hoch.«
»Eine Zwickmühle«, sagte Henner und nickte seinerseits.
Mark startete den Motor und nahm Kurs auf den Jachthafen.
»Ein Vorschlag zur Güte«, sagte ich, einem Impuls folgend. »Sie räumen Herrn Simon noch eine letzte Frist von, sagen wir: einer Woche ein, um die Angelegenheit ehrenhaft zu bereinigen. Wir verbürgen uns dafür, dass er nicht einfach von der Bildfläche verschwindet.«
Kaum hatte ich das ausgesprochen, wünschte ich mir eine stacheldrahtbesetzte Baseballkeule, um mich selbst damit zu prügeln. Bürgen? Wir? Für Simon? Henner glotzte mich konsterniert an und dachte augenscheinlich dasselbe.
Aber Armend lächelte, offenbar hatte ich seinem moralischen Paradigma entsprochen.
»Mit diesem Vorschlag könnte ich, wie ich meine, leben, ohne weiteren Gesichtsverlust zu riskieren.«
Das Gespräch musste unterbrochen werden, weil das Anlegemanöver unmittelbar bevorstand. Mark verschonte sowohl das Schilf als auch die dort hausenden Entenfamilien. Mit bewundernswerter Präzision steuerte er die Tusse rückwärts in die Lücke. Bemerkenswertes Zeug, dieses Kokain.
Armend ließ sich unsere Ausweise geben, ein Bodyguard notierte unsere Namen und Adressen – ein Vorgang, der wesentlich schneller vonstattengegangen wäre, hätte der menschliche Baumstamm mehr als die kalligrafischen Fähigkeiten eines I-Männchens besessen: Er malte die Buchstaben ab. Es dauerte geschlagene zehn Minuten, bis er die Daten kopiert hatte.
»Sie wissen, was das bedeutet«, sagte Armend und sah uns nacheinander an, mit einem Gesichtsausdruck, den Amtsrichterbenutzen, um Zeugen stoisch zu erklären, dass sie die Wahrheit und nur die Wahrheit sagen dürfen. »Wenn Herr Simon nicht innerhalb einer Woche dafür sorgt, dass der Vorgang zu meiner Zufriedenheit geklärt wird, werde ich mich an Sie wenden. An jeden von Ihnen. Diese Zeit wird nicht zur glücklichsten in Ihren Leben gehören, dafür garantierte ich.«
Wir nickten eingeschüchtert. Als das Trio – die Leibwächter trugen wieder ihre nassen Hosen – außer Sichtweite war, sagte Henner schlicht: »Wir hätten ihm ebenso gut versprechen können, die verdammte Hölle mit einer funktionierenden Klimaanlage auszustatten.«
Ich zuckte die Schultern. »Eine bessere Idee hattest du aber auch nicht.«
Er nickte.
»Feinkörnig«, sagte Mark.
Henner benötigte einige Versuche, um Simon telefonisch davon zu überzeugen, dass die Luft vorerst rein war. Wir trafen ihn auf der Restaurantterrasse, die Kellnerin brachte frisches Bier, von Anna war nichts zu sehen, aber die Kanus lagen noch auf der Wiese.
Jan-Hendrik erzählte kurz, was geschehen war.
»Ihr habt euch für mich verbürgt ?«, fragte Simon ungläubig, dann musste er lachen. »Das würde ich nicht einmal selbst tun. Aber. Verdammt. Danke.«
In diesem Augenblick bekam ich Angst. Als hätte ich soeben alles, was ich besaß, beim Roulette auf die Null gesetzt – und bereits das »Rien ne va plus« vom Croupier gehört. Mit dem Unterschied, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Simon
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