Leidenschaft in den Highlands
bearbeitet worden und von innen ausgehöhlt. Vermutlich gehörte es dem Fremden. Aber wozu hatte er es gebraucht?
Avery betrachtete es nachdenklich von allen Seiten. Plötzlich wurde ihr klar, warum sie den Kerl nicht vorher bemerkt hatte: Er musste sich unter Wasser fortbewegt haben. Durch den Halm hatte er Luft bekommen.
Doch warum dieses Versteckspiel? Avery ging in Gedanken einige Möglichkeiten durch. Sie kam zu dem unweigerlichen Schluss, dass es nur einen Grund gab, warum er sich in ihrer Nähe aufgehalten, sich ihnen aber nicht gezeigt hatte. Er war ein Wüstling, der ihre Schwestern beim Baden beobachtet hatte!
Denn wenn er ein Mann der Ehre gewesen wäre, hätte er sich längst stillschweigend verzogen. Stattdessen trieb er sich noch immer hier herum. Vielleicht hoffte er auf weitere interessante Ausblicke?
Ein derartiges Verhalten konnte Avery nicht dulden. Es ging um die Ehre ihrer Schwestern!
Entschlossen, diesem Schuft eine Lektion zu erteilen, folgte sie ihm ins Schilf. Sie würde ihn zur Rede stellen. Und sobald er sein Verbrechen gestanden hatte, würde er zur Strafe ihre Fäuste zu spüren bekommen. Er war nicht der erste Mann, dem sie ihren Handabdruck auf der Wange als Andenken hinterlassen würde, weil er sich ihren Schwestern gegenüber unziemlich verhalten hatte. Einen kecken Blick und ein heimliches Augenzwinkern ließ sie den Kerlen durchgehen. Dieser Schuft aber war deutlich zu weit gegangen.
Vorsichtig schob sie das Schilf zur Seite und lugte durch die entstandene Lücke. Der Mann lief einige Schritte am Ufer entlang, sah sich um, als suchte er nach etwas, und blieb schließlich im Gras stehen, um sich nach einem Tuch zu bücken. Damit trocknete er seinen muskulösen Po ab. Er war klein, augenscheinlich recht fest und ungewöhnlich braun gebrannt. Die meisten Menschen im Hochland waren eher blass. Eins musste sie ihm zugestehen: Ihm stand die dunkle Farbe.
Avery ertappte sich dabei, dass sie ihn schon unerhört lange anstarrte. Vielleicht sollte sie besser wegsehen, bis der Fremde sich angekleidet hatte. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie die Augen nicht von seinem wohlgeformten Körper lassen. Es ärgerte sie, dass sein Anblick sie derart faszinierte, dass sie einen Moment lang ihre eigenen Prinzipien über Bord warf. Und dass er die Unverschämtheit besaß, sich ihr auf diese Weise zu präsentieren. Auch wenn das in Anbetracht derUmstände einen gewissen Sinn machte. Immerhin war er gerade erst aus dem Wasser gestiegen.
Avery folgte ihm heimlich durch das Schilf, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Alle Heimlichkeit ging allerdings verloren, als die Halme begannen, durch ihre Bewegung zu rascheln.
Der Fremde fuhr prompt herum und suchte das Schilf mit seinem eindringlichen Blick ab. Avery hielt erschrocken inne und hoffte, er würde annehmen, dass ein Tier für das Rascheln verantwortlich sei.
Tatsächlich kam ihm wohl dieser oder ein ähnlicher Gedanke, denn er wandte sich schon nach einem kurzen Augenblick wieder ab. So hatte sie wieder seinen ansehnlichen Rücken im Blick.
Avery atmete erleichtert auf. Es war wohl ratsamer, an dieser Stelle zu verharren, wenigstens so lange, bis er sich endlich angekleidet hatte. Dann würde sie aus ihrem Versteck kommen und ihm eine Lektion erteilen, die er ganz sicher nicht so schnell wieder vergaß.
Seine Kleidung hatte er auf einem Baumstumpf abgelegt. Daneben entdeckte sie ein Claymore, das im Gras lag und im Licht der Sonne schimmerte wie die Wasseroberfläche des Sees.
Er hob es hoch und ließ es elegant durch die Luft gleiten, gleich einem Raubvogel, der mit ausgebreiteten Schwingen über die Glens flog. Gefährlich, präzise und doch voller Anmut.
Für einen Schwertkämpfer bewegte er sich außerordentlich grazil. Das deutete darauf hin, dass er viel Erfahrung im Umgang mit der Waffe hatte. In AverysWelt war dies der vollendetste aller Tänze, geprägt durch Kraft und Schönheit.
Sie sah, wie sich seine Muskeln mit jeder Drehung, jedem Schritt und jedem vollführten Hieb anspannten, während er mit einem unsichtbaren Gegner zu kämpfen schien.
Ihr wurde warm. Von ihrem Versteck aus hatte sie den besten Blick auf seine breiten Schultern, die muskulösen Arme und Oberschenkel, die ebenso beeindruckend wie wohlgeformt waren.
In nassen, dunklen Wellen flossen seine offenen Haare über seinen Rücken bis zu dessen Mitte. Wenn er sich drehte, sausten sie durch die Luft und zogen eine Spur aus Wasserperlen hinter sich her.
Seine
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