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Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarit Graham
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dagegen, wenn ich rasch hinüberlaufe zu Josh und ihm und seinem Dad zeige, was ich kann? Vielleicht spielt Greg für mich auf der Flöte.“
       „Anne, was redest du für einen Unsinn?" Jetzt wagte Mary endlich, sich umzudrehen. Die Geschichte fiel ihr wieder ein, die Matthew ihr vor ein paar Tagen erzählt hatte. Gregory, der für Britta Melroy und ihre Zwillinge auf seiner Flöte gespielt hatte, sollte jetzt auch für Anne seine Weisen erklingen lassen.
       Ein hysterisches Lachen stieg in Mary hoch. „Greg wird der Schlag treffen, wenn du in diesem Aufzug bei ihm erscheinst", sagte sie und streckte die Hand nach ihrer Schwester aus. „Wunderschön bist du, Anne, weißt du das?" Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
       Anne setzte sich auf Marys Schoß. Sie war leicht wie eine Feder. „Nicht weinen, Mary", sagte sie sanft und streichelte die Wange ihrer Schwester. „Ich werde dich nie verlassen, das verspreche ich dir. Auf irgendeine Weise werde ich immer in deiner Nähe sein.“
       „Ach Anne, wenn ich daran nur glauben könnte." Die junge Frau seufzte schwer auf. „Mum und Dad sind auch einfach verschwunden. Sie sind tot und begraben." Mary biss sich auf die Lippen. Das hatte sie nicht sagen wollen, schließlich war sie die Ältere und sie wollte Anne doch Mut machen für die schwere Zeit, die vor ihr lag. Doch nun war Anne die Stärkere, die sie, Mary, tröstete.
       „Mum und Dad sind nicht einfach tot", begann Anne und streichelte noch immer Marys Wange. „Sie sind uns nur den Weg vorausgegangen, den wir alle gehen müssen. Für mich ist es ein wunderbarer Gedanke, dass ich bald alle wiedersehen werde, unsere Eltern, Belinda und..." Sie schwieg plötzlich.
       „... und Britta. Das wolltest du eben sagen, nicht wahr?“
       Anne nickte unter Tränen. „Und Britta. Mein ganzes Leben lang hab ich sie gesucht.“
       „Wer, um Himmels willen, ist denn Britta? In unserem ganzen Leben ist keine Frau dieses Namens aufgetaucht. Nur deine Puppe hat diesen Namen. Also sag mir endlich, was das alles zu bedeuten hat." Marys Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie konnte dieses ewige Rätselraten, diese unheimlichen Ereignisse nicht mehr hinnehmen ohne nicht wenigstens den Versuch zu unternehmen, alles verstehen zu können.
       „Schrei nicht so, Mary." Anne rutschte von ihren Knien herunter und setzte sich auf den Boden, der mit einem flauschigen blau gemusterten Teppich bedeckt war. „Britta ist in meinem Kopf und in meinem Herzen wie Mum.“
       „Was soll der Unsinn? Ich halte es nicht mehr aus. Bitte, Anne, sei wieder mein liebes kleines Mädchen, so wie früher. Wo... wo bist du, Anne?" Mary begann zu schluchzen.
       Anne griff nach ihrer Hand. „Ich bin doch da, Mary", antwortete sie sanft. „Ich bin... Anne, und ich bin Annabel.“
       „Nicht!“, schrie Mary auf. „Du bist Anne. Ich kenne keine Annabel.“
       Annes Lippen zitterten, ihre Augen füllten sich nun ebenfalls mit Tränen. „Ich hätte dir nichts sagen dürfen", murmelte sie kaum hörbar. „Du verstehst es nicht.“
       „Dann erklär es mir.“
       „Annabel ist... in mir. Sie ist ich und ich bin sie.“
       „Das würde bedeuten, dass Annabel tot ist, nicht wahr?" Marys Tränen waren mit einem Mal versiegt. Eine Ruhe kam über sie, die sie sich selbst nicht erklären konnte.
       Das Mädchen nickte. „Du wirst es bald erfahren. Und nun lass uns nicht mehr davon sprechen. Ich... bin auf einmal so müde, dass ich kaum mehr die Augen offen halten kann. Nur um eines bitte ich dich, Mary. Halte dich von Greg fern. Er wird bald seine gerechte Strafe erhalten.“
       Die Frau nickte. „Ich mag ihn ohnehin nicht sonderlich. Eigentlich habe ich sogar Furcht vor ihm.“
       „Dir wird er nichts tun. Seine Zeit ist fast abgelaufen. Britta wird sich um ihn kümmern. Du... wirst sie mögen...“
    Anne erhob sich und ging mit hängenden Schultern zur Tür. Sie sah aus, als würde sie eine schwere Last auf ihren schwachen Schultern tragen, als wäre sie in diesen wenigen Minuten um viele Jahre gealtert.
       Mary sprang auf und lief ihrer Schwester nach. Sie erreichte sie noch, ehe diese die Tür öffnen konnte. Fest umschlossen ihre Arme den mageren Mädchenkörper und hielten ihn fest. „Bitte, verzeih mir, Anne, wenn ich nicht verstehe. Aber eines sollst du wissen: Ich hab dich lieb, meine Kleine, und du wirst immer in meinem Herzen sein, gleich, welchen Namen du trägst und wen du Mum

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