Leise weht der Wind der Vergangenheit
einsamen Abschiednehmens, dem man nicht entrinnen kann.
„Greg Simpson war unsterblich in Britta Melroy verliebt", begann Matthew zu berichten. „Lady Jane sagt, dass er wie von Sinnen war. Alle im Ort wussten, dass Greg sein Leben gern für Britta gegeben hätte, für ein Lächeln von ihr, für einen Kuss. Doch Britta war spröde und abweisend. Sie liebte nur ihren toten Mann. Mehr als Freundschaft konnte sie ihm nicht geben. Außerdem war Greg damals schon verheiratet.“
„Wie lange ist das her?“
„Mehr als dreizehn Jahre. Britta lebte sieben Monate hier, ehe sie auf mysteriöse Weise verschwand, genau wie Belinda und Annabel. Maureen House wurde damals genau untersucht, doch man fand nichts, das auf ein Verbrechen hindeutete. Sie hatten alle ihre Sachen mitgenommen.“
„Vielleicht war Britta Melroy Gregs Aufmerksamkeit so lästig, dass sie ihr Heil nur noch in der Flucht fand", überlegte Mary. „Ich kann mir vorstellen, dass Greg seinen Weg rücksichtslos verfolgt.“
„Du könntest schon recht haben, Darling", gab Matthew zu. „Zumal er anscheinend auch die Zwillinge überaus gern mochte. Oft saß er stundenlang auf einem dieser Felsen hier und
spielte auf seiner Flöte. Belinda und Annabel tanzten dazu.“
„Sie tanzten..." wiederholte Mary mit verträumter Stimme. „Und sie hatten dabei niedliche weiße und manchmal auch rosafarbene Ballettröckchen an. Eines der Mädchen hatte lange schwarze Haare, ähnlich wie Anne, das andere kurze schwarze Locken.“
Verwundert blickte Matthew die geliebte Frau an. „Woher weißt du das?“
„Als Anne und ich damals nach Ronaldsburgh fuhren, geschah der erste dieser seltsamen Zwischenfälle. Ich blickte in den Rückspiegel, doch da saß nicht Anne sondern ein Kind in einem hübschen weißen Ballettkleidchen mit langen schwarzen Locken. Zuerst dachte ich, dass meine Augen vom vielen Fahren übermüdet seien. Doch je länger ich das fremde Kind anstarrte, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass ich mich nicht irrte. Allerdings vermischten sich die Gesichtszüge des Kindes mit denen meiner Schwester. Doch Anne trug an diesem Nachmittag ihre langen Haare zu einem Zopf geflochten. Sie konnte es also nicht sein.“
Der Mann war sichtlich ergriffen. „Eine Zeitlang wurde tatsächlich gemunkelt, dass Britta Gregs Nachstellungen zuwider gewesen waren. Immerhin war er verheiratet, und eine Scheidung war ohnehin nicht möglich. Allerdings war seine Ehe mit Paula von Anfang an ein richtiges Unglück. Paula war eine kühle Person, die sich hier nie wohlfühlte. Dann verschwand Britta, und kaum ein Jahr später wurde Joshua geboren. Die Leute behaupteten, Greg hätte sich mit Gewalt genommen, was Paula ihm nie freiwillig geben wollte. Kurz nach Joshs Geburt verschwand Paula ebenfalls. Greg und der Junge blieben allein zurück.“
„Hat Greg seine Frau getötet?“
Heftig schüttelte Matthew den Kopf. „Nach Jahren kam Paula einmal zu Besuch, um nach ihrem Sohn zu sehen. Doch Josh lehnte sie ab. Er war noch ziemlich klein, und dennoch fürchtete er sich vor Paula. Da fuhr sie wieder weg, und seitdem hat niemand mehr etwas von ihr gehört.“
„Und Britta? Du glaubst, er hat sie getötet, nicht wahr?“
„In meinem Roman jedenfalls hat er es", antwortete Matthew nach kurzem Nachdenken und lachte dabei leise. Er legte einen Arm um Marys Schultern. „Lass uns den herrlichen Abend genießen, Darling. Wir wissen nicht, was das Schicksal uns noch bringt.“
Mary schmiegte sich an ihn. „Ich bin so froh, dass du in mein Leben getreten bist, Matthew", gestand sie leise. „Ich wüsste nicht, was ich tun sollte ohne dich. All die Ereignisse, meine kranke Schwester... ich glaube, ich würde verzweifeln an meinem Leben. Ich weiß, dass irgend etwas Unerklärliches vor sich geht, das ich eigentlich fürchten müsste.
Doch du bist da, und ich weiß, dass ich nicht allein bin. Schau nur, der Mond erhellt den Eingang der Höhle. Würden wir uns in einem Märchen befinden, dann würde ich jetzt behaupten, dass er uns etwas zeigen will.“
Der Mann hauchte Mary einen Kuss auf die Wange. „Wer weiß", flüsterte er. „Vielleicht birgt sie wirklich ein Geheimnis. Doch im Augenblick würde ich lieber ein anderes Geheimnis ergründen - das Geheimnis unserer Liebe.“
Ihre Lippen fanden sich zu einem innigen Kuss.
Nicht weit von ihnen entfernt stand inmitten blühender
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