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Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarit Graham
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griff nach der warmen Jacke seines Sohnes, die dieser über die Stuhllehne gehängt hatte. Er warf sie auf die Liege und stieß dabei eine bösartige Verwünschung aus.
       In diesem Moment fiel sein Blick auf die Liege. Etwas war aus der Jackentasche herausgerutscht, das ihm bekannt vorkam. Er nahm es zur Hand und erkannte den Schal, den er vor vielen Jahren aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte. Diesen Schal hatte er damals Britta Melroy geschenkt. Jetzt musste er sich notgedrungen wieder daran erinnern.
       Doch noch etwas anderes erregte seine Aufmerksamkeit. Ein kleines braunes Etwas war darin eingewickelt, das jetzt in seiner Hand lag - die Holzflöte, mit der er früher so oft für die Mädchen gespielt hatte.
       Mit einem Entsetzenslaut warf der Mann die beiden Erinnerungsstücke auf die Liege zurück. Er hatte ein Gefühl an den Händen, als hätte er eine glühende Herdplatte angefasst. Stöhnend wandte er sich um, weil er den Anblick nicht mehr ertragen konnte.
       „Das wird dir nichts nützen, Greg.“
       Erschrocken fuhr der Angesprochene herum. „Wer ist... Nein! Nicht du... nicht du!" Er taumelte und hielt sich krampfhaft am Tisch fest.
       „Kannst du dich nicht mehr erinnern, Greg? Ich bin... Britta." Sie warf das lange Haar zurück. An ihrer Schläfe klaffte eine tiefe Wunde, aus der unaufhörlich Blut sickerte. „Du hast geglaubt, ich sei tot, als du mich ins Meer warfst. Aber da habe ich noch gelebt. Ich bin jämmerlich... ertrunken.“
       „Britta..." Gregs Gesicht war totenblass, seine Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. „Das ist nicht wahr." Er fuchtelte mit der linken Hand vor der Erscheinung herum. „Das ist der verdammte Alkohol...", stammelte er, „der Alkohol, dieses Teufelszeug.“
       „Nicht nur der Alkohol, Greg." Die schöne Frau lächelte, doch es war keine Wärme in ihrem Blick. „Du hast dich nicht geändert. In all den Jahren, die das Schicksal dir als Chance zugestanden hat, hast du nicht bereut, nicht gesühnt. Doch jede Freveltat schreit nach Rache.“
       „Du bist gekommen, um...“
       „...um meine Kinder und mich zu rächen. Ganz richtig, Greg." Sie nickte kaum merklich. „Josh schläft nicht mehr. Er hört dich sprechen. Gleich wird er kommen und dich fragen, warum du so aufgeregt bist. Was wirst du ihm sagen, Greg? Wirst du gestehen, was du getan hast?“
       „Niemals!" Der Mann presste beide Hände an die Ohren. „Ich will nichts mehr davon hören. Du bist... dich gibt es gar nicht wirklich. Du bist nur in meinem Kopf, weil ich zuviel getrunken habe.“
       „Das Blut, das du vergossen hast, schreit nach Rache. Hörst du es denn nicht, Greg?“, fragte Britta sanft. In ihrer Hand hielt sie einen blühenden Rhododendronzweig. „Diese Blumen schickt dir Annabel. Sie konnte nicht selbst kommen." Noch immer lächelte die Erscheinung.
       Greg starrte auf die Blüten. „Sind sie auch...?“
       „Sie sind ganz frisch", erklärte Britta sanft. „Nimm sie ruhig." Die Erscheinung legte ihm die Blumen einfach in die Hand, noch ehe er sie zurückziehen konnte.
       „Verschwinde", keuchte der Mann. „Geh weg. Du bist nicht wirklich. Ich habe dich selbst..." Wild fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum. „Geh endlich weg und lass mich in Ruhe. Oder glaubst du nicht, dass ich meine Tat längst bereut habe?“
       „Du wirst bereuen... Greg... du wirst es noch sehr bereuen." Die Gestalt begann, sich von der Mitte her aufzulösen. Ihr schönes Gesicht war freundlich, aber gleichgültig. Kein Hass war darin zu lesen, nur unendliche Sanftmut. In ihrer Hand hielt sie die Flöte, die Greg vorhin aufs Bett geworfen hatte. Und ohne dass sie sie an die Lippen führte, hörte Greg die weichen Töne, die schon früher sein Herz angerührt hatten, eine Melodie, die er seit jener unseligen Nacht aus seinem Leben verbannt hatte.
       „Dad, was ist denn?" Verschlafen betrat Josh die Wohnküche. „Ich hab dich reden hören. Bist du wieder...?" Er starrte zu der halbleeren Flasche. „Du hast wieder getrunken.“
       Bei Joshs Eintreten war die Melodie verstummt. Nur das Gefühl, das sie vermittelte, hing noch bleischwer auf Gregs Gemüt. Wie erwachend blickte er Josh an. „Du? Was willst du, Josh? Du solltest schlafen.“
       Der Junge zuckte die Schultern. Dann bückte er sich und hob etwas auf. Es war die Flöte. „Du hast mich angelogen, nicht wahr?" Er schüttelte den Kopf, als sein Vater beharrlich schwieg.

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