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Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarit Graham
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nennst, ob es unsere gemeinsame Mutter ist oder Britta. Vergiss mich nicht, wenn du eines Tages am Ziel deiner Träume bist.“
       Anne drehte sich zu Mary um und hielt sie ganz fest. „Ich hab Angst, Mary", gestand sie leise, und jetzt war sie wieder das Zwölfjährige Mädchen, das dem Tod in jedem Moment seines Daseins ins Auge sehen musste. Ihr Atem ging rasselnd und in ihren Augen glänzte es wie im Fieber. „Liebe gute Mary. Ich hab dich auch sehr, sehr lieb.“
       Heftig riss sich Anne los und rannte davon. Sie wollte nicht, dass Mary sich zu sehr in ihren Abschiedsschmerz hineinsteigerte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Schwestern es tunlichst vermieden, von ihrer bevorstehenden Trennung zu sprechen.
       „Anne..." Mary stand an der geöffneten Tür und starrte dem Mädchen nach. Sie fühlte sich in diesem Moment so elend, dass sie sogar Matthew vergaß. „Ich hab dich so lieb, Anne", sagte sie leise, nur zu sich selbst. „Doch bald wird mir von dir nur noch ein Grab geblieben sein.“
       Mit gesenktem Kopf ging Mary zu ihrem Stuhl zurück und ließ sich darauf fallen. Über ihr Gesicht liefen Tränen und ihre Schultern zuckten. Sie weinte lautlos und zu Tode erschöpft. Es fiel ihr schwer, sich in das unabwendbare Schicksal zu ergeben nach Jahren des Kampfes um Annes Leben. Doch diesen Kampf hatte sie verloren. Die Vergangenheit würde als Sieger hervorgehen.
                                * * *
       Greg Simpson saß am Tisch und starrte in sein Glas. Draußen tobte ein heftiger Sturm, der Herbst hielt seinen Einzug. Es war bereits empfindlich kühl, sodass er im Kamin ein Feuer hatte anzünden müssen.
       All sein Unglück stürzte an diesem Abend über dem Schulleiter zusammen. Am Nachmittag hatte er endlich klare Verhältnisse schaffen wollen. Er war zu Mary gegangen und hatte um ihre Hand angehalten. Doch Mary hatte gesagt, dass sich ihr Herz längst für einen anderen Mann entschieden habe, nämlich für Matthew Wallace.
       Seine Beherrschung war erstaunlich gewesen, als er Mary die Hand gegeben und ihr viel Glück gewünscht hatte. Doch in seinem Innern hatte ein Sturm getobt, der tausendmal stärker gewesen war als der, der jetzt über die Klippen fegte.
       Doch jetzt war es mit seiner Ruhe vorbei. Als er heimgekommen war, hatte Josh ihn nur angesehen und dann zufrieden genickt. „Ich habe es nicht anders erwartet", hatte er gesagt, dann war er in sein Zimmer gegangen und hatte sich wieder ins Bett gelegt, wo er die letzten Tage fast ununterbrochen verbracht hatte.
       Josh ging es zusehends schlechter. Er bekam kaum noch genügend Luft, wenn er sich etwas rascher bewegte, und jede Aufregung brachte ihn dem Tod noch näher. Doch er nahm es hin mit einer Gelassenheit, die eigentlich der Weisheit des Alters zustand. Das brachte seinen Vater noch mehr aus der Fassung als die Tatsache, dass er Mary nun endgültig verloren hatte.
       Erregt erhob sich der Mann, um aus dem Schrank eine neue Flasche zu holen. In der letzten Zeit hatte er es sich wieder angewöhnt, seine trüben Gedanken mit Gin oder Whiskey hinunterzuspülen. Er tat dies nicht mehr in Barkleys Pub, denn er wollte von niemandem gesehen werden. Dafür schleppte er oft bei Einbruch der Dunkelheit die Flaschen ins Haus, die er zuvor in der Stadt erstanden hatte.
       „Das wird euch noch leid tun", knurrte er vor sich hin, während er sein Glas erneut füllte. Dann trank er es in einem Zug aus. „Ich habe mich bemüht um euch, um dich, meine liebe Mary. Und nun hast du dich für diesen brotlosen Schreiberling entschieden. Du wirst schon noch sehen, was du davon hast. Und du, mein lieber Josh, schlaf nur. Alles hat dein Vater für dich getan, und du hast dich nur um diese Anne gekümmert. Ich saß allein im Haus und hab auf dich gewartet. Alle seid ihr undankbar. Doch das werdet ihr noch büßen. Bereuen werdet ihr bis an euer seliges Ende.“
       Wütend warf er das Glas an die Wand, wo es mit einem hässlichen Scheppern zerschellte und zu Boden fiel. Ein wenig ratlos blickte Greg den Scherben nach, dann griff er nach der vollen Flasche und führte sie an die Lippen.
       Warm und irgendwie tröstend lief die scharfe Flüssigkeit in seinen Mund, und er schluckte eifrig. Dann setzte er die Flasche wieder ab. Die Wut in ihm wurde immer stärker. Und jetzt konzentrierte sie sich nicht mehr nur auf Mary sondern mehr noch auf Josh.
       „Faul ist er und undankbar", tobte Greg und

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