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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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dass Thora eine treue Ehefrau gewesen war, die tiefen Respekt verdient hatte. Als Red vor zweieinhalb Jahren starb, hatte er Thora ein Vermögen von geschätzten sechseinhalb Millionen Dollar hinterlassen. Das war für Natchez eine gewaltige Menge Geld, doch es bedeutete Chris herzlich wenig. Er hatte selbst ein wenig Geld, und er war jung genug, um noch eine ganze Menge mehr zu verdienen.
    »Agentin Morse«, sagte er in neutralem Tonfall. »Ich beabsichtige nicht, mit Ihnen über meine Frau zu sprechen. Doch ich sage Ihnen Folgendes: Thora gewinnt oder verliert nichts, wenn wir uns scheiden lassen.«
    »Wieso nicht? Sie ist sehr reich.«
    »Sie ist reich, zugegeben, doch ich bin es ebenfalls. Ich fing an dem Tag an zu sparen, als ich die ersten Nachtschichten in Notaufnahmen übernahm, und ich habe eine Reihe glücklicher Investitionen getätigt. Doch der eigentliche Punkt ist: Wir haben beide vor unserer Heirat einen Ehevertrag unterschrieben. Im Fall einer Scheidung behält jeder das, was er in die Ehe eingebracht hat.«
    Agentin Morse studierte Chris schweigend. »Das habe ich nicht gewusst«, sagte sie schließlich.
    Er lächelte. »Tut mir leid, wenn ich ein Loch in Ihre Theorie schlage.«
    Morse schien plötzlich in Gedanken versunken, und Chris spürte, dass er für sie in jenem Moment gar nicht da war. Ihr Gesicht war viel knochiger, als er zuerst geglaubt hatte, und von eigenartigen Schatten überzogen.
    »Verraten Sie mir eines«, sagte sie unvermittelt. »Was geschieht, wenn einer von Ihnen beiden stirbt?«
    Chris dachte über diese Frage nach. »Nun … ich denke, in diesem Fall kommen unsere Testamente zum Zug. Sie haben Vorrang vor dem Ehevertrag. Glaube ich zumindest.«
    »Und was steht in Ihrem Testament? Wer ist zukünftiger Nutznießer dieser glücklichen Investitionen, die Sie getätigt haben?«
    Chris blickte zu Boden und spürte, wie er rot anlief. »Meine Eltern erben einen hübschen Batzen.«
    »Das ist gut. Und wer erbt den Rest?«
    Er blickte zu ihr auf. »Thora bekommt alles.«
    Morses Augen blitzten triumphierend.
    »Aber …«, protestierte Chris.
    »Ja?«
    »Aber Thora hat Millionen Dollar! Was für einen Sinn hätte es, mich umzubringen, um zwei Millionen dazuzubekommen?«
    Morse rieb sich einige Sekunden lang das Kinn; dann blickte sie hinauf zu dem schmalen Fenster hoch oben an der Wand. »Menschen haben für viel weniger Geld gemordet, Dr. Shepard. Für sehr viel weniger.«
    »Millionäre?«
    »Ich würde es nicht bezweifeln. Abgesehen davon morden Menschen tagtäglich aus anderen Gründen als Geld. Wie gut kennen Sie Ihre Frau? Ihre Psyche, meine ich?«
    »Verdammt gut.«
    »Gut. Das ist gut.«
    Chris begann eine intensive Abneigung gegen Agentin Morse zu entwickeln. »Sie denken, meine Frau hätte ihren ersten Ehemann ermordet, richtig?«
    Morse zuckte die Schultern. »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Das macht keinen Unterschied. Aber Red Simmons war seit vielen Jahren herzkrank.«
    »Ja.«
    Morses tiefgründige Informationen über die Ereignisse gingen ihm gegen den Strich.
    »Abgesehen davon gab es keine Autopsie«, fuhr sie ungerührt fort.
    »Dessen bin ich mir bewusst. Sie schlagen nicht vor, dass wir jetzt eine vornehmen, oder?«
    Agentin Morse tat die Vorstellung mit einer Handbewegung ab. »Wir würden nichts feststellen. Wer immer hinter diesen Morden steckt, ist zu clever, um einen solchen Fehler zu begehen.«
    Chris schnaubte. »Wer ist zu clever, Agentin Morse? Ein professioneller Killer? Ein forensischer Pathologe?«
    »Vor ein paar Jahren gab es einen Auftragskiller, der sich genau dieser Art von Arbeit gerühmt hat. Er war ein sehr zurückhaltender Mann mit einem gewaltigen Ego. Er hatte keine richtige medizinische Ausbildung, doch er war ein begeisterter Amateur. Offiziell hat er sich zwischenzeitlich zur Ruhe gesetzt. Wir haben uns an seine Fersen geheftet, um ganz sicher zu sein.«
    Chris hielt es nicht länger auf seinem Hocker. Er sprang auf und rief: »Das ist Irrsinn! Was erwarten Sie denn jetzt von mir?«
    »Dass Sie uns helfen.«
    »Uns? Das ist ungefähr das erste Mal, dass Sie in diesem Gespräch ›uns‹ gesagt haben.«
    Alex Morse lächelte. »Ich bin die zuständige Agentin. Wir sind seit dem elften September personell ein wenig schwach besetzt bei dieser Art von Fällen. Alles arbeitet an der Terrorabwehr.«
    Chris blickte ihr tief in die Augen. Er sah Aufrichtigkeit darin und Leidenschaft. Doch da war auch noch etwas anderes. Etwas, das sich nicht so

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