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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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woher sie die Narben hatte. »Sie sagten, dass jeder Fehler macht, Agentin Morse. Was ist der schlimmste Fehler, den Sie je begangen haben?«
    Die Hand der Frau hob sich langsam zu ihrer rechten Wange. »Ich habe nicht nach rechts und links gesehen, bevor ich gesprungen bin«, sagte sie leise. »Und jemand anderes ist deswegen gestorben.«
    »Das tut mir leid. Wer war es?«
    Sie schlang sich die Handtasche über die Schulter. »Das ist nicht Ihr Problem, Doktor. Es tut mir leid, dass ich diejenige bin, die Ihr Leben auf den Kopf stellt, glauben Sie mir. Doch würde ich das nicht tun, wären Sie möglicherweise eines Abends zu Bett gegangen und nie wieder aufgewacht.«
    Morse nahm das Rezept aus Chris’ Hand und schenkte ihm ein angespanntes Lächeln. »Ich melde mich bald wieder bei Ihnen. Versuchen Sie, die Nerven zu behalten. Und ganz gleich, was Sie sonst noch tun – fragen Sie Ihre Frau nicht, ob sie vorhat, Sie umzubringen.«
    Chris starrte Alex Morse hinterher, als sie durch den Korridor in Richtung Wartezimmer ging. Ihre Schritte waren gemessen und selbstsicher. Die Schritte einer Athletin.
    »Und?«, erkundigte Holly sich unerwartet hinter ihm. Chris zuckte erschrocken zusammen. »Was hat sie für ein Problem?«
    »Eine Zystitis«, murmelte er. »Flitterwochen-Syndrom.«
    »Zu viel im Bett herumgeturnt, wie? Ich hab gar keinen Ehering an ihrem Finger gesehen.«
    Chris schüttelte den Kopf angesichts Hollys altklugem Tonfall; dann ging er über den Flur in sein privates Büro und schloss hinter sich die Tür.
    Sein Wartezimmer war voller Patienten, doch so krank manche von ihnen auch sein mochten, sie schienen mit einem Mal nur noch zweitrangig zu sein. Chris schob einen Stapel Patientenunterlagen zur Seite und betrachtete Thoras Bild auf dem Schreibtisch.
    Thora war das genaue Gegenteil von Alex Morse. Sie war blond – naturblond, nicht wie achtundneunzig Prozent der goldhaarigen Frauen, denen man auf der Straße begegnete – und von dänischer Abstammung, was höchst ungewöhnlich war hier unten im Süden. Ihre Augen waren graublau – meerblau, wenn man poetisch sein wollte, was er zu verschiedenen Gelegenheiten getan hatte. Sie besaß das Aussehen einer echten Wikingerprinzessin, auch wenn ihr keinerlei Arroganz anzumerken war. Sie war vier Jahre lang mit Red Simmons verheiratet gewesen, einem Burschen vom Lande, der ein Vermögen damit gemacht hatte, auf seine Instinkte zu vertrauen, und der die Menschen immer noch gut behandelt hatte, nachdem er reich geworden war.
    Chris hatte stets gedacht, dass Reds Instinkt in Bezug auf Frauen mindestens genauso gut war wie der Instinkt für Öl. Sicher, Thora war reich geworden, als Red gestorben war, doch was war daran falsch? Immer profitierte irgendjemand, wenn ein reicher Mann starb. So war nun einmal der Lauf der Dinge. Abgesehen davon war Red Simmons auch kein Mann gewesen, der einen Ehevertrag verlangt hätte. Er hatte eine liebevolle junge Frau gefunden, die ihr Leben mit ihm teilte, in guten wie in schlechten Zeiten – Reds letztes Jahr war ziemlich schlecht gewesen –, und sie verdiente es, alles zu erben, was er besaß, komme, was da wolle.
    So hätte Red es auch gesehen. Deswegen wurde Chris auch immer wütender, je länger er über das nachdachte, was Agentin Morse ihm in seinem Untersuchungszimmer Nummer vier gesagt hatte.
    Er nahm den Telefonhörer auf und rief beim Empfang an.
    »Ja?«, meldete sich Jane Henry, die hitzige Assistentin hinter dem Empfangsschalter. Das »Jaaa?« kam so gedehnt, dass es nach drei Silben klang. »Jane«, begann er. »Ich hatte einen Kollegen an der Uni namens Darryl Foster. Ich buchstabiere: D-A-R-R-Y-L.«
    »Okay. Und?«
    »Ich denke, er ist heute beim FBI . Ich weiß nicht, wo er stationiert ist. Er kam ursprünglich aus Memphis, Tennessee, doch als ich das letzte Mal von ihm gehört habe, arbeitete er im FBI-Büro in Chicago.«
    »Und?«
    »Sie müssen ihn für mich finden, Jane. Seine Telefonnummer, meine ich. Meine alte Bruderschaft will das Haus bei der Ole Miss renovieren, und wir wollen mit jedem Kontakt aufnehmen und um Spenden fragen.«
    »Und wo soll ich Ihrer Meinung nach mit der Suche nach diesem Supercop anfangen?«
    »Hängen Sie sich ins Internet. Sie verbringen genug Zeit damit, am Computer Poker zu spielen und bei Ebay zu shoppen. Nach einem alten Klassenkameraden von mir zu suchen ist das Mindeste, was Sie tun können.«
    Jane räusperte sich vernehmlich. »Naja, ein Versuch kann nicht

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