Leitfaden China
Unternehmers lastende Verantwortung für seine Angestellten hat er so plastisch geschildert, dass sie für mich auch emotional nachvollziehbar wurde.
Ein chinesischer General Manager verlässt sich in der Regel stark auf sein Managementteam, das ihn in allen seinen Aufgaben unterstützt. Einige der befragten General Manager wiesen jedoch auf die Grenzen dieser Unterstützung hin. Die schnelle chinesische Entwicklung macht es sehr oft schwierig, Personen zu finden, die der verlangten Aufgabe und Verantwortung gerecht werden. In vielen chinesischen Firmen besteht deshalb ein beträchtliches Gefälle zwischen der Führung und den mit der Verwirklichung der strategischen Aufgaben beauftragten Untergebenen. Obwohl sich die Führungsperson Unterstützung wünscht, steht sie letztlich mit ihren Entscheiden allein da. Sie trägt in vielen Fällen taktische und strategische Verantwortung selbst, ein wichtiger Grund für den starken psychischen Druck, dem einige der Führungskräfte laut ihren Aussagen ausgesetzt sind.
Die grossen Stärken des Unternehmers machen die Situation nicht einfacher. Fähigkeiten und Charisma der Führungsperson sind oft entscheidende Faktoren für den Führungserfolg selbst. Die Eigenprofilierung des Gründers in einem Privatunternehmen geht oft so weit, dass Firmenname oder manche Modellbezeichnungen aus seinem Namen abgeleitet werden. Vielleicht sind diese Phänomene nur typisch für die Gründungsphase, in denen sich viele chinesische Unternehmen befinden. Längerfristig ist es durchaus denkbar, dass die Verantwortungen breiter abgestützt werden und die Führung sich eher auf strategische Ziele beschränken wird. Dies hängt jedoch von der Persönlichkeit des Besitzers ab.
Der Klancharakter der chinesischen Gesellschaft bringt es weiter mit sich, dass die Gesellschaft stark hierarchisch strukturiert ist. Angestellte warten deshalb auf eine klare Führung von Seiten des Besitzers oder Unternehmers. Auf der anderen Seite ist es für die Führungsperson ausserordentlich wichtig, dass sie die Anliegen der Angestellten richtig wahrnimmt. Aus diesem Grund sollte die Führungsperson über ein verlässliches Managementteam verfügen, das die Unternehmensbelange nach Erreichen einer gewissen Grösse auch weiterhin der Führungsperson zugänglich macht. Die erste Aufgabe einer Führungsperson wird es deshalb sein, dieses Managementteam nachzuziehen und ihm die neue Unternehmens«familie» nahezubringen. Trotzdem wird sich die Führungsperson nicht allein auf diese Handlungsund Informationsebene verlassen können, sie muss auch selbst direkten Zugang zu den Angestellten haben und diesen auch pflegen.
Multinationale chinesische Unternehmen unterscheiden sich ganz beträchtlich von anderen internationalen multinationalen Konzernen. Sie bleiben in der Regel Familienunternehmen, die vom Patriarchen selbst geführt werden, wie Beispiele aus Taiwan und Hong Kong zeigen. Wie weit die grossen chinesischen Staatsunternehmen sich der Struktur «normaler» multinationaler Unternehmen angleichen, bleibt noch abzuwarten. Die Auflagen der Börsenkortierungen helfen hier in der Regel mit, sie auch den internationalen Regeln des Management anzugleichen.
Anderes Empfinden von Rechtssicherheit
Für 75% der befragten entsandten Führungskräfte und viele ihrer chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für rund 90% der Führungskräfte in chinesischen Unternehmen entstehen die meisten Probleme für das unternehmerische Handeln in Verbindung mit dem unklaren rechtlichen Umfeld der Volksrepublik China. Viele der Rechtsregeln und der Verwaltungserlasse sind unklar oder nicht transparent, was bei ihrer Interpretation oft grossen Raum lässt. Die Interpretationen durch die Verwaltung gehen sehr weit und werden von manchen Führungskräften geradezu als willkürlich bezeichnet. In den Augen von einigen entsandten Personen erlaubt die Interpretation der Regeln auch eine protektionistische Haltung, um chinesische Interessen zu schützen. Positiv vermerkten westliche Kreise den chinesischen WTO-Beitritt, der diese protektionistischen Interpretationen oder Rechtsregeln in ihren Augen in Zukunft reduzieren sollte.
Nicht nur die Unklarheiten selbst, auch die ständigen, nur sehr kurzfristig oder überhaupt nicht angekündigten Veränderungen der Rechtsregeln bilden ein Problem, auf das hingewiesen wurde. Zum Teil werden Gesetze sogar rückwirkend auf ein früheres Datum in Kraft gesetzt. Gerade in diesen Fällen kann
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