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Leitfaden China

Leitfaden China

Titel: Leitfaden China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Roth
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im Denken
    Sowohl chinesische wie westliche Führungskräfte stellten auch eine relativ klare Unterscheidung in pragmatisch-konkrete und rational-abstrakte Handlungsweisen fest. Das chinesische Handeln ist wesentlich flexibler und sehr viel situativer als das eher «moralgeleitete» westliche Handeln. «In China versucht man immer sofort, im Interesse der Sache eine Regel zu brechen», wie sich eine chinesische Führungskraft ausdrückte. Während man in Europa im allgemeinen eine umfassende und langfristige Sicht einer Sache hat, denkt man in China sehr kurzfristig, handelt aggressiv, oft ohne eine grössere Übersicht zu haben oder zumindest riskiert, diese zu verlieren.
    Gerade auch von chinesischen Führungskräften, die eine zeitlang im Ausland studiert oder gearbeitet hatten, wurde öfters unterstrichen, dass auf Grund dieser Denkweise immer darauf geachtet werden muss, dass auch die Strategien erarbeitet und gesehen werden und man sich nicht allein auf die Taktik konzentriert. Die Gefahr der hohen Flexibilität besteht gerade darin, dass die Person sich nur noch auf den Augenblick konzentriert und vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.
    Ich habe bereits darauf hingewiesen und möchte es hier nochmals unterstreichen, dass der Begriff «opportunistisch» dieses stark situative Verhalten nicht richtig beschreibt und uns vor allem daran hindert, die kulturellen Unterschiede in diesem Verhalten zu sehen. Chinesisches Verhalten ist ausgesprochen pragmatisch und aus diesem Grund sehr flexibel. Dass dies Opportunismus noch mehr begünstigt als schon westliches Denken und Handeln wird aus der Darstellung natürlich ebenfalls ersichtlich.
    Andere Sozialdynamik
    Die meisten ausländischen und chinesischen Führungskräfte unterstreichen die grosse Dynamik der chinesischen Gesellschaft. Diese beruht in ihren Augen auf einer grundsätzlich anderen Lebenshaltung. In China ist man dynamisch, arbeitet viel und lang, der Umgang mit Personen, z. B. mit Kunden, kann sehr hart sein. Ein konstanter Kampf um Kontrolle kennzeichnet ein chinesisches Umfeld. Trotzdem legt man in China mehr Wert auf persönliche Beziehungen, die gerade im täglichen Umgang wichtiger sind als eine Präsentation über einen technischen Ablauf zur Verbesserung der Arbeitseffizienz. In Europa laufen viele dieser persönlichen Beziehungen in festen Strukturen ab, beispielsweise was Kundenkontakte angeht. In China entsprechen die persönlichen Beziehungen wesentlich weniger einer eingespielten Routine als vielmehr einer klaren eigenen Auswahl. Beziehungen können deshalb nach Weggang eines Unternehmens-oder Verkaufsleiters nicht einfach vom Nachfolger übernommen werden, sie sind immer sehr persönlich und auch meist auf eine übereinstimmende Chemie gebaut.
    Auch die Richtung dieser Dynamik scheint in West und Ost anders zu sein. Die stark positive Konjunktur anfangs des 21. Jahrhunderts hat geradezu zu einer visionären Sicht der Zukunft in China geführt. Im Zusammenspiel mit der aktuellen Wirtschaftslage kann man deshalb von der Sozialdynamik und ihren Auswirkungen in den Worten eines Schweizers sagen: «Die Chinesen bauen die Zukunft, in Europa verteidigen wir die Vergangenheit». Dies hängt im übrigen nicht unwesentlich von den anderen Denkmustern ab, die in Europa in ihrer linearen Sicht des Zeitablaufes viel mehr auf die Vergangenheit und die nahe Zukunft, aber kaum je auf die Gegenwart gerichtet sind. Das chinesische Denken kompensiert diesen starken Gegenwartsbezug wie bereits gezeigt durch ein visionäres, vom gegenwärtigen Moment losgelöstes Bild einer fast idealisierten kommenden Zeit.
    Die Frage der Sprachbeherrschung
    In meiner Umfrage waren rund 35% der westlichen Befragten der Meinung, das Beherrschen der chinesischen Sprache sei sehr wichtig, 30% fan-den es nicht nötig und 35% vertraten die Ansicht, die Beherrschung der Sprache wäre «nice to have». Interessanterweise unterstrichen jedoch rund 80% der chinesischen Führungskräfte oder der chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass Chinesisch wichtig ist. In keiner anderen Frage scheinen die Meinungsunterschiede zwischen Chinesen und Europäern derart offensichtlich zu sein. Viele Chinesinnen und Chinesen wiesen darauf hin, dass gerade in einem grösseren Unternehmen der Informationsfluss zum General Manager nur aus seinem Management Team kommt, wenn er nicht die Möglichkeit hat, auch mit seinen Arbeitnehmern direkt zu kommunizieren. Die Fremdheit bleibt beim

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