Leitfaden China
Chef keine Ausnahme bildet und sich daran hält. Gleichzeitig nahm er der neuen Regel die potentielle Gefahr des Gesichtsverlustes, indem er zuerst das Gesicht verloren hatte und sich somit die folgenden Sünder nicht an der Zahlung stören mussten. Mit seinem Handeln beugte er einem potentiellen Gesichtsverlust vor und ermöglichte somit auch die Durchsetzung dieser neuen Regel.
In diesen Bereich gehört auch die Schaffung der Firmenkultur, welche die neue «Familie» unterstreicht. Bei diesem Arbeiten mit Emotionen im Umfeld der Unternehmensfamilie sollte dann auch mit den Elementen der Scham, und nicht mit jenen der Schuld gearbeitet werden. Erste wenn die Firmenkultur wirklich besteht und die Angestellten stolz auf die Mitgliedschaft in der Firma sind, werden sie das in einer Kollektivgesellschaft starke Schamgefühl und die entsprechende Zuverlässigkeit entwickeln. Sie gehen auf die tragende Loyalität und deren Verpflichtungsmuster zurück.
Interessanterweise wiesen chinesische Führungskräfte darauf hin, dass Führung im chinesischen Unternehmen klar sein muss und am besten mit strikten Regeln verbindlich gemacht werden sollte. Ist dies nicht der Fall, werden die guten Führungskräfte das Unternehmen relativ schnell verlassen und den Unternehmer auf seinen mittelmässigen Angestellten sitzen lassen. Eine befragte Person nannte drei Elemente, um die Rückhaltequote von Angestellten zu verbessern. Als erstes ist eine klare und von allen geteilte Vision wichtig. Damit geht auch ein gemeinsamer Wille einher, diese Vision erreichen zu wollen und erreichen zu können. Die meisten chinesischen Führungspersonen sagten aus, ihr Unternehmensziel sei es, die Nummer eins in der Branche zu werden, obwohl in keinem der Fälle spezifische Strategien genannt wurden, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Das zweite Element ist der sofortige Gewinn und dessen gerechte Ausschüttung im Unternehmen. Die Ausschüttung sollte innerhalb des Unternehmens fair sein, gegen aussen wettbewerbsstark, da sonst die Angestellten zur Konkurrenz abwandern. Das dritte Element ist ein emotional angenehmes Arbeitsumfeld. Viele der Führungspersonen setzen relativ viel Zeit ein, um sich um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kümmern. Sie kennen in vielen Fällen die Geburtstage der Angestellten und deren Familienmitglieder als Beispiele. Viele chinesische Unternehmen pflegen anlässlich des chinesischen Neuen Jahres auch den Brauch, ihren Angestellten rote Täschchen mit einem – zum Teil beträchtlichen – Zustupf zum Fest zu geben. Auch hier wird die Anknüpfung an die Familie deutlich, an die Eltern, welche ihren Kindern zu bestimmten Gelegenheiten materielle Unterstützung zukommen lassen.
Es erstaunt deshalb nicht, dass einige der chinesischen Unternehmer auch erwarten, «dass die Angestellten einen loyalen Tod für diejenigen sterben, die ihren Wert erkannt haben». Diese Loyalität ist allerdings stark personalisiert und an die Führungsperson gebunden und nur bedingt an das allzu abstrakte Unternehmen. Wenn die Führungsperson deshalb nicht auch der Besitzer selbst ist, können hier bei einem Wechsel der Führung beträchtliche Loyalitätsprobleme entstehen. Hier liegt auch der Grund, warum ein neuer Manager sich in seiner neuen Funktion zuerst bewähren muss. Er muss die Basis der Loyalität ihm gegenüber zuerst erreichen. Der nächste Schritt geht dann dahin, ein neues Managementteam zu schaffen, das ihm loyal ist. «Es ist in China undenkbar, wie in Japan eine lebenslange Loyalität gegenüber einem Unternehmen aufzubauen», gab eine chinesische Führungsperson offen zu. Loyalitäten in Personenbeziehungen hingegen dauern ein Leben lang an und sind auch in klaren Verpflichtungsmustern der anderen Person gegenüber verankert.
Sozialkompetenz und Offenheit
Es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen Sozialkompetenz in Verbindung mit einer Offenheit gegenüber der anderen Kultur ein zentraler Faktor von Führungserfolg wird und dass diese Kompetenz weit über europäische Anforderungen hinausgeht.
Die stärkere Eigen- und Fremdgruppenunterscheidung bewirkt zwei Dinge für eine europäische Führungsperson. Auf der einen Seite muss sie sehr viel stärker auf das soziale Umfeld eingehen, als dies in einem westlichen Betrieb der Fall wäre. In vielen Situationen muss sie ein Konsensverhalten und ein Verständnis an den Tag legen, das in einem europäischen Umfeld nie so weitgehend gefordert ist. Verbunden ist
Weitere Kostenlose Bücher