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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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es zunächst diesen Anschein hat: Er blättert in der
Reinen Wahrheit
, krault sich ab und zu den grauen Bart und wartet. Als Lehner und der Lemming das Lokal betreten, hebt er kurz den Kopf. Lugt über den Rand seiner Brille, über den Rand seiner Zeitung hinweg und versenkt sich dann wieder in seine Lektüre.
    «Okay», sagt der Lemming. «Bin gleich wieder da   …»
    «Moment noch!» Frank Lehner streckt fordernd die Hand aus. «Ihr Handy. Sie wollen schließlich pinkeln, nicht telefonieren.»
    Ein Griff in die Tasche, ein Blick zu dem bärtigen Mann in der Ecke. Der Lemming gibt Lehner das Handy; dann zwängt er sich durch die Gästeschar in den hinteren Teil des Lokals, in dem sich die Waschräume befinden.
     
    «Und das soll ich Ihnen glauben.» Der Bezirksinspektor knöpft sich die Hose zu, wie um das Ende der Konversation zu signalisieren. Einer Konversation mit dem Charakter eines hastig abgesetzten Funkspruchs: Sobald auch Polivka in der Toilette erschienen war, um sich neben dem Lemming am Pissoir zu postieren, hat ihm dieser in Stichworten seineMisere geschildert. Kurz, gerafft und lapidar: ein Notruf wie auf hoher See – dank der unterdessen tatsächlich urinierenden Männer mit der perfekten Geräuschkulisse versehen.
    Auch der Lemming zieht nun seinen Reißverschluss hoch. «Glauben Sie’s oder nicht. Sie haben aber sicherlich weniger Arbeit, wenn Sie mir den Lehner vom Leib halten. Mord und Totschlag, Herr Bezirksinspektor. Schon allein die seitenlangen Protokolle   …»
    «Die grad Sie mir so gerne ersparen. Weihnachten, sag ich nur. Bruckhaufen. Ein stinknormaler Suizid. Aber ein gewisser Herr Wallisch ruft gleich die Mordkommission.»
    Ist es der richtige Ort, der richtige Zeitpunkt, um Polivka zu korrigieren und womöglich einen weiteren Streit vom Zaun zu brechen? Sicherlich nicht. Und hat sich Paul Smejkal eine vergleichsweise milde Bestrafung durch ein weltliches Gericht verdient? Noch einmal nein. Es gibt keinen schlimmeren Kerker als den, in dem der Alte ohnehin schon sitzt.
    «Da   … haben Sie recht. Die Angela Lehner   … Es scheint wirklich alles darauf hinzudeuten, dass sie sich umgebracht hat.» Und wieder nickt der Lemming sein beflissenes Gebrauchtwagenhändlernicken – diesmal erfolgreich: Polivka kauft ihn, den Schrotthaufen, den er ja schließlich von Anfang an haben wollte.
    «Na bitte», meint er zufrieden. «Und ihr Mann, der Herr Lehner, hat nichts gemerkt von unserem kleinen Rendezvous?»
    «Ich glaube nicht. Zum Glück ist die Neonschrift draußen kaputt.»
    «Hab ich abdrehen lassen, Herr Wallisch. Gleich nachdem ich gekommen bin. Wollen wir?» Polivka öffnet die Tür. «Sie wissen aber schon», sagt da der Lemming, «dass Sie ein Genie sind.»
    Um die Augen des Bezirksinspektors flattert der Hauch eines Zwinkerns. «Ich hab dich auch lieb, mein Schatz.»
    So verlassen die beiden die Gosse von Kairo und kehren zurück in den Wiener Morast.

27
    Es war schon eine mustergültige Aktion. Nicht vorschriftsmäßig, aber im Rahmen des eben noch Statthaften fehlerlos. Kaum sind der Lemming und Lehner aus dem Lokal getreten, war auch schon Polivka da. Hat mit einem nonchalanten Schlenker seines Handgelenks die Dienstmarke gezückt und den Lemming unsanft am Arm gepackt.
    «Ich muss Sie bitten, mich zu begleiten.»
    «Aber was   … Warum
ich
?» Der Lemming war ehrlich erstaunt.
    «Warum ich. Das sagen sie alle.» Polivka hat aufgeschnaubt.
    «Also kommen S’ jetzt mit, oder muss i Ihnen die Achter verpassen?»
    «Achter?», hat sich nun auch der sichtlich bestürzte Frank Lehner zu Wort gemeldet. «Wieso Achter? Was wollen Sie überhaupt von uns?»
    «Achter sind Handschellen, mein Herr. Und von Ihnen will i gar nix, außer Sie legen’s partout darauf an.»
    «Nein, nein   …», hat Lehner gemurmelt.
    «Dann mischen S’ Ihnen g’fälligst net ein und lassen S’ mich amtshandeln!» Ein kurzer Ruck, dann hat der Bezirksinspektor den Lemming vor sich her in Richtung Berggasse geschoben. Auch Frank Lehner ist nun hinter ihnen hergetrottet, zögernd, mit ratloser Miene. So lange, bis Polivka sich abrupt zu ihm umgedreht hat.
    «Was machen S’ denn immer noch da? Husch, husch!» Polivka hat mit den Händen gewedelt, als wolle er eine Taube verscheuchen. «Oder wollen S’ auch gleich mit aufs Revier?»
    Wortlos hat Lehner den Kopf geschüttelt.
    «Dann schauen S’, dass S’ weiterkommen. Und suchen Sie sich Ihre Saufkumpane in Zukunft ein bisserl besser aus!»
    Da

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