Lenas Tagebuch
U-Boot-Matrosen doch haben. Sie lernen zum Beispiel, das Schiff im Dunkeln zu bedienen, tastend. Das Leben des ganzen Bootes hängt von jedem einzelnen Besatzungsmitglied ab. Die Pflichten sind so verteilt, dass sogar der Schiffskoch nicht nur das Essen zubereitet, sondern auch beim Ruf »Alarm« 11 zu seinem Posten bei der Geschützbedienung rennen muss. Tag für Tag trainieren so die Soldaten mit ihren Kommandanten, und wenn Feinde uns angreifen – und das wird nicht ausbleiben, früher oder später wird es Krieg geben –, werden wir uns des Sieges absolut sicher sein können. Wir wissen, was wir beschützen, womit wir beschützen und wen wir beschützen.
Eines Tages haben Soldaten, Piloten und U-Boot-Matrosen ein kameradschaftliches Treffen organisiert. Und einander dabei von den jeweiligen Berufen erzählt. Die Flieger sagten, in die Tiefe bis auf den Meeresgrund zu sinken, nein, das sei gruselig. Was ganz anderes sei es, im Himmel zu fliegen. Die U-Boot-Matrosen hingegen antworteten: Über der Erde und über dem Meer zu fliegen, nein, das sei zu gruselig, was ganz anderes sei es, unter Wasser zu schweben – man schwimmt einfach wie ein Fisch.
Gestern habe ich zwei Lektüren für die neunte Klasse gekauft. Und als ich gesehen habe, wie umfangreich das Programm ist, beschloss ich, jetzt sofort mit dem Lesen zu beginnen. Habe mit Turgenjew angefangen, da ich ihn schon besitze.
Gerade lese ich »Rudin« 12 .
Hier sind Ausschnitte daraus:
»Es gibt nichts Bedrückenderes als das Bewusstsein, soeben eine Torheit begangen zu haben.«
»Denn das ist doch auch eine Art Berechnung. Es setzt sich einer die Maske der Gleichgültigkeit und Trägheit auf und meint vielleicht, jedermann werde denken: Wie viel gute Anlagen hat der Mensch doch in sich verkümmern lassen! Sieht man indessen genauer hin – so sind gar keine guten Anlagen vorhanden.«
»Verneinen Sie alles, und Sie können sich leicht den Ruf erwerben, ein kluger Kopf zu sein!« 13
7. [8.] Juni
Heute habe ich mich spontan dazu entschlossen, Tamara anzurufen und zu besuchen. Auf dem Weg zu ihr dachte ich darüber nach, worüber ich mit ihr sprechen könnte. Aber alles ist gut gegangen. Tamara ist mir in vielem ähnlich. Ich habe zu wenig Zeit, um alles ausführlich zu berichten, es geht schon auf zwölf zu.
Ich werde nur so viel sagen, dass ich mit ihr viel über Wowa gesprochen und ihr vorgeschlagen habe: »Lass uns morgen zusammen zu Wowa gehen.« Ich hätte das außer Tamara niemandem vorgeschlagen. Denn Wowa mag unsere Mädels nicht besonders, aber Tamara ist eine Ausnahme, er hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihr. Als ich Tamara den Vorschlag gemacht hatte, wusste ich gleich, dass sie mitkommen wird, auch wenn ich davon nicht mal zu träumen gewagt hatte, als ich auf dem Weg zu ihr war.
Erst sagte Tamara, dass es sehr unpassend sei, ihn ohne jeglichen Vorwand zu besuchen. Aber ich bemühte mich, sie davon zu überzeugen, dass Wowa ein sehr netter Junge ist, dass er zu Hause ganz anders ist und so weiter. Sie hat dann zugestimmt.
Wir sind uns einig, dass wir uns mit einer solchen Ungerechtigkeit nicht abfinden können, dass die Jungen und die Mädchen einander so fern sind, dass sie einander nicht zu Hause besuchen wie echte Freunde. Wir haben beschlossen, Wowa zu besuchen. Einen Vorwand haben wir auch schon gefunden. Tamara wird ihn nach irgendwelchen Büchern fragen, und ich bringe ihm seine zwei Bücher. Ja, das ist sehr spannend, wie das alles sein wird. Vielleicht wird sich uns eine neue Welt öffnen. Vielleicht freunden wir uns zu dritt an und lernen uns besser kennen. Das steht alles noch in den Sternen. Aber ich habe Mut gefasst. Ich spüre wieder neuen Drang, neue Hoffnungen, neue Träume. Vielleicht werden wir uns drei auch nicht näher anfreunden, aber wer weiß, vielleicht hilft es Tamara und mir, uns besser anzufreunden. Denn Tamara ist für mich genau das, was ich mir wünsche. Genau sie könnte mir eine wahre Freundin sein.
Ja, vor uns liegt noch viel Unbekanntes.
9. Juni
Heute haben sich Dinge ereignet, die ich nicht verschweigen kann. Ich werde versuchen, alles kurz zu schildern.
Nach der Klassenversammlung, die im Lehrerzimmer stattfand und bei der wir unsere Zeugnisse erhielten, beschlossen wir, nach Hause zu gehen. Unsere Jungs sind vor den Mädchen gegangen. Die Mädels sind irgendwo hängen geblieben, und ich beschloss, ohne sie, allein, nach Hause zu gehen. In der Garderobe traf ich unsere Jungs, sie waren schon
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