Lenke meine Fuesse Herr
vordergründig: Der Jakobsweg war das Abenteuer meines Lebens. Ich habe vieler Menschen Städte gesehen und ihre Gesinnung kennengelernt, wie es in der Odyssee heißt. Ich habe Schwierigkeiten überwunden und den inneren Schweinehund niedergekämpft, der zum Aufgeben riet. Ich habe mich vor mir selbst bewiesen.
Und ich habe gelernt. Ich habe ein bisschen Französisch und ein bisschen Spanisch gelernt. Doch was mehr ist: Ich habe gelernt, nicht ängstlich vorauszuplanen, sondern den Tag, die Nacht auf mich zukommen zu lassen, gelassener, selbstbewusster und vertrauensvoller, doch auch rücksichtsvoller zu sein.
Bodil hat ihren Caminobekannten, auch mir, nach ihrer Rückkehr geschrieben:
„Ich habe mein Ziel, Santiago, erreicht. Hätte mir mein Körper nicht die Möglichkeit dazu gegeben, hätte ich dennoch mein Ziel erreicht, ein anderes „Santiago“: das wäre der Ort gewesen, den ich hätte erreichen können.
Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören.
Ich habe gelernt, auf mein Inneres zu hören.
Ich habe gelernt, dass die Antworten auf meine Fragen in mir selbst liegen.
Ich habe gelernt: Wenn deine Hände offen sind, bereit zu empfangen, dann wird dir gegeben.
Ich habe gelernt, dass alles, was ich in meinem Leben erfahren habe, von mir erfahren werden musste.
Ich habe gelernt: Wenn ich mir sagte: Hoffentlich geschieht dies und das nicht wieder, dann war das nicht besonders klug — Gott ist der Klügste. Es geschah wieder und wieder — und ich bin froh darüber, denn das verschaffte mir Einsicht, über die ich froh bin.
Ich habe gelernt, dass Gott mit mir ist, und dass Er immer mit mir war.
Ich habe gelernt, zu glauben.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen für mich beteten. Beteten, dass ich Santiago erreichen möge, da sie wussten, wie sehr ich mir das wünschte. Viele Menschen haben mich auf diesem Weg begleitet. Dafür bin ich dankbar.
Ich bin der Liebe begegnet, der Einsamkeit, der Verzweiflung, der Sorge, dem Glück.
Am Tag nach meiner Rückkehr nach Dänemark schrieb ich:
Lass es seinen Weg gehen, mach keine Pläne. Gott ist immer da, die Menschen, die du triffst, triffst du nicht zufällig, sie lehren dich — und Er ist mit dir auf deinem Weg durch das Leben.“
(von mir aus dem Englischen übersetzt,
Dank an Bodil Behrmann, Dänemark)
Besser könnte ich es nicht ausdrücken.
Und noch eines habe ich gelernt: Ich habe gelernt, zu beten. Nicht die „Standardgebete“, die mich seit meiner Kindheit begleitet haben. Nein, ich habe gelernt, unmittelbar zu Gott zu sprechen, ihm meine Anliegen anzuvertrauen — und dabei zu danken und eher für andere als für mich selbst zu bitten. Und in mir ist der Wunsch gewachsen, dies immer wieder zu tun. Ich bin auf diesem Weg Gott näher gekommen. Und das ist alle Mühen wert!
Glossar
Ich habe in meinem Tagebuch Ausdrücke verwendet, die nicht jeder versteht und die für den Jakobsweg, wie ich ihn ging, wichtig sind. Hier eine kleine Hilfe:
Accueil Pèlerin Frankreich: Empfang für Pilger. Eine Stelle, wo man als Pilger willkommen geheißen wird, Rat und Hilfe oder auch nur einen Stempel in den Pilgerpass bekommt.
Albergue Spanien: Herberge.
Bar Spanien: Einfach ein Lokal, in dem man eine Kleinigkeit essen und trinken kann.
Bocadillo Spanien: Belegtes Brot meist mit Schinken (auch warm) oder Käse und Salat.
Bodega Spanien: Weinkellerei, auch Ausschank. Auch einfach ein Erdkeller.
Café con leche Spanien: Kaffee mit Milch - wie ein Espresso, aber entweder mit Schaum oder warmer Milch. Ähnlich in Frankreich Café au lait.
Camino Spanisch: Weg — hier speziell der Jakobsweg.
Cerveza Spanien: Bier. Besser als in Frankreich, aber immer noch recht dünn.
Chambre d’hôtes In Frankreich: Privatzimmer. Etwas teuerer als die Gîtes, aber dafür hat man den Luxus eines Einzel- oder Zweibettzimmers. Oft wird Halbpension mit Familienanschluss geboten.
Chemin Französisch: Weg — hier speziell der Jakobsweg.
Correos Spanien: Post. In Frankreich ist es „La poste“.
Desayuno Spanien: Frühstück. Eine Tostada (geröstetes Stück Brot, kein Toastbrot, wie wir es kennen), Butter, ein Kaffee, Orangensaft — recht karg!
Donjon Frankreich: Bergfried, Stadtturm.
Épicerie Frankreich: Lebensmittelgeschäft.
Gîte Frankreich: Herbergen; Schlafsaal mit Stockbetten, Waschräume, meistens mit Küche. Unterschiede: gîte communal, also zur politischen Gemeinde gehörig, Jugendherbergen oder Berghütten vergleichbar,
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